ABCD-Thesen zur Landeskunde und das DACH(L)-Konzept

6. Juni 2009

ABCD steht hier für Österreich (Austria), die Bundesrepublik Deutschland, die Schweiz (Confederation Helvetica) und die DDR. Die ABCD-Thesen sind das Resultat einer Arbeitsgruppe aus Vertretern der vier genannten Länder. Die Gruppe nahm 1988 die Arbeit auf, veröffentlicht wurden die Thesen aber erst 1990. Nachlesen kann man sie im IDV-Rundbrief (S. 15-18).

Gemäss diesen Thesen und (auch im später daraus entstandenen DACH-Konzept) ist Landeskunde kein eigenes Fach, sondern kulturelle Information, Sensibilisierung für Fremdes und Sprachvermittlung sollen kombiniert werden. Das steht zum Beispiel im Gegensatz zu einer rein faktischen Landeskunde, die sich auf Institutionen, Staaten und hohe Kultur beschränkte, in der Regel von der restlichen Sprachvermittlung abgekoppelt war (z.B. als nicht in den Rest der Lektion eingebetteter Lesetext am Ende) und zudem einen relativ starken Vollständigkeits- und Objektivitätsanspruch hatte.

In den ABCD-Thesen wird gefordert, dass der gesamte deutschsprachige Raum berücksichtigt wird und falls an den Materialien Anpassungen an das Sprachniveau der Lernenden gemacht werden müssen, diese nicht zu „Simplifizierung, Verniedlichung, Vergröberung und Verzerrung“ führen dürfen. Das heisst auch, dass die phonolgoische, lexikalische und morpho-syntaktische Vielfalt der deutschen Sprache nicht einfach zugunsten einer einheiltlichen sprachlichen Norm unter den Teppich gekehrt, sondern thematisiert werden sollte. Wenn möglich sollen dazu authentische Materialien verwendet und die Lernenden bei der Auswahl der Themen und Materialien beteiligt werden. Die Materialien sollten verschiedene Sichtweisen berücksichtigen und auch Brüche innerhalb einer Gesellschaft nicht verschweigen, denn in dieser Art der Landeskunde geht es um eine Annährung an eine fremde Kultur und nicht um eine Werbeveranstaltung, andererseits dürfen und sollen die positiven Seiten auch eine Rolle spielen. Wichtig ist auch, dass nicht der Leher „das Bild“ eines Landes vermittelt, sondern dass die Lernenden ihren eigenen Zugang finden können. Das kann auch heissen, dass die Lernenden Spuren der deutschsprachigen Kultur im eigenen Land suchen und dadurch auch die eigene Kultur bewusster wahrnehmen oder das Vorurteile und Klischees bewusst aufgegriffen werden.

Ohne das Internet und die damit verbundenen Recherche- und Kommunikationsmöglichkeiten wären die oben formulierten Ansprüche wohl kaum einzulösen, denn auch Deutschsprachige kennen sich nicht im ganzen deutschsprachigen Raum aus und müssen sich informationen zu den anderen deutschsprachigen Ländern und vor allem das zugehörige Materal erst beschaffen, wenn der Landeskundeunterricht nicht auf der Geographieebene stehen bleiben soll.Da es das Internet aber gibt, eröffnen sich viele Möglichkeiten. Es sind – auch wenn das eigene Lehrmittel sich nur auf ein Land beschränken sollte – unterschiedlichste Formen von authentischenm Deutsch zugänglich und man findet zu jedem beliebigen Thema authentisches Material, dass sich landeskundlich einsetzen lässt. Auch die Kommunikation Menschen aus den Zielsprachen Ländern ist einfacher als je zuvor – wenn man denn über die geeigneten Kontake verfügt.

Schwieriger wird es, wenn die nicht hat und sich in der Fülle von zur Verfügung stehendem Material nicht so richtig zurecht findet. Die ABCD-Thesen fordern deshalb auch, dass Landeskundematerialien in nationenübergreifender Kooperation von Fachleuten aus DACH(L) erstellt werden sollten und dass Leute, die landeskundliches Material aus den DACHL-Ländern suchen, entsprechende Ansprechspartner und Materialangebote finden können sollten. Wenn man dann aber im Internet nach dem DACH- oder DACHL-Konzept sucht, findet man viele nicht mehr existierende Seiten und viele Links auf die DACHL-Projekthomepage – aber dort erfährt man nur, dass die Projekthomepage abgeschaltet wurde.

Von den neueren Lehrmitteln, die ich kenne, sticht vor allem Dimensionen mit seiner Umsetzung des DACH-Konzeptes hervor. Es berücksichtigt konsequent Materialien aus DACH (allerdings soweit ich weiss nicht aus Liechtenstein oder den Regionen, in denen Deutsch von einer Minderheit gesprochen wird) und zeigt ein Thema in der Regel aus einer plurizentrischen Perspektive.

Ansonsten bin ich auf DACH vor allem im Zusammanhang mit der IDT gestossen, weil in diesem Zusammenhang DACH-Seminare organisiert werden, aber ich hatte den Eindruck, dass die eher aus einzelnen Teilen zu den jeweiligen Ländern bestehen als aus einem integrativen Gesamtkonzept. Aber ich kann mich täuschen.

Das DACH-Konzept und die Arbeit daran ist vielleicht noch nicht gerade im Dornröschenschlaf versunken, macht aber zumindest ein Nickerchen. Es wäre schön, wenn es wieder wachergeküsst würde, denn es sind noch viele Fragen ungelöst.

Wie sieht es denn bei euch aus? Wie macht ihr Landeskunde und schafft ihr es, die Vielfalt des deutschen Sprachraumes einzubeziehen, ohne das alles in einzelne Facetten zerfällt?

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4 Kommentare

  • 1. Michael Langner  |  23. Juli 2009 um 11:53

    Da ich für die IDT 2009 in Jena gerade einen Plenarvortrag zur Landeskude vorbereite und deswegen – ich bin immerhin eines der Fossilien aus der ABCD-Gruppe – mal googlete, stiess ich auf Deinen Blog. Interessant, Deine Perspektive auf etwas, das in den Grundzügen 21 Jahre alt ist!
    Es gibt inzwischen ein DACHL-2-Konzept mit neuen Seminaren. Und wir hoffen, dass wir wieder integrativer arbeiten werden. Deine Kritik an den derzeitigen Seminaren ist berechtigt.
    Liebe Grüsse
    Michael

  • 2. Cornelia  |  23. Juli 2009 um 12:58

    Lieber Michael

    Schön, dass du über mein Blog gestolpert bist. 🙂

    Dann freue ich mich mal auf die IDT und hoffe, dass sich das DACHL-Konzept weiterentwickelt. Wenn sich auch auf der Homepage mal wieder was täte, fände ich das natürlich toll.

    Vielleicht bis bald an der IDT

    Cornelia

  • 3. Carol Ladd  |  24. Juli 2009 um 22:04

    Ich bin auch in der Vorbereitungsphase für die IDT und es freut mich eine klipp und klare Erklärung des Themas mit Hintergrund.

    Danke von über die grossen See, Carol Ladd

  • 4. Cornelia  |  25. Juli 2009 um 15:28

    Gern geschehen!

    Cornelia


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