Livemocha

13. August 2009

Nachdem ich ein paar Mal darauf angesprochen wurde (zum Beispiel hier im Kommentar), habe ich  mir jetzt endlich mal Livemocha angesehen. Dieses Sprachlernportal wirbt mit kostenlosen interaktiven Sprachkursen und einer grossen Lernendencommunity (mehr als 2 Millionen nach eigenen Angaben), die das Lernen mit Muttersprachlern erlaubt.

Ich muss sagen, dass ich von dem Angebot ziemlich entäuscht bin, obwohl es einzelne gute Ansätze gibt.

Kurse

Die für viele Sprachen angebotenenn Kurse scheinen samt und sonders aus dem Englischen übersetzt worden zu sein und benützen auch alle dasselbe Bildmaterial. Die Kurse sind also nicht bis wenig an die Besonderheiten der einzelnen Sprachen angepasst und landeskundliche Elemente gibt es gar nicht. Zusätzlich sind die einzelnen Einheiten rund um grammatische Themen herum aufgebaut, die aber weder richtig erklärt noch eingeübt werden. Solche Übungen soll es allerdings in den kostenpflichtigen „Plus-Kursen“ geben, die für einige Sprachen angeboten werden. Wie auch immer: die Texte, die durch diese versteckten grammatischen Ziele entstehen, sind weder interessant noch an den Bedürfnissen realer Lernender ausgerichtet und entsprechen schon gar nicht authentischem Sprachgebrauch, weder was die Strukturen noch was den Wortschatz betrifft. In einer Lektion zum Einkaufen lernt man zwar einiges an nützlichem Vokabular zu Lebensmitteln, die Wörter sind aber nicht in Sätze eingebettet, die Artikel fehlen grundsätzlich und die Sätze, die es in der Einheit gibt, beschreiben nur Situationen (Zum Beispiel “ Die Kundin zieht die Karte durch“), echte Redemittel (wie zum Beispiel „Wo finde ich … / Können sie mir helfen etc.) gibt es nicht. Was hier geboten wird, ist eine grammatikzentrierte Didaktik ohne die dazugehörenden Grammatikerkärungen.

Im Prinzip gut wäre die Kombination von Schrift, Audio und Bild. Man hört und sieht den Satz bzw. das Bild gleichzeitig und hat zusätlich auch einen visuellen Input. Nur leider fehlte z.B.  beim Ungarischkurs zum Teil das Audio, was zur Folge hat, dass in der anschliessenden Übungsphase (wo man wechselweise mit geschriebenem oder gesprochenem Input konfrontiert wird und das passende Bild dazu wählen muss) zum Teil blind herumklicken muss, damit die Übung weitergeht.

Lese- und Hörtexte, die zu den Lektionen passen und mit denen man weiterüben kann, gibt es nicht.

Ergänzende Übungen

Zusätzlich zu den Kursen gibt es ergänzende Übungen, die von der Community korrigiert und bewertet werden können, die aber auf dem Kursmaterial aufbauen. Obwohl man sich bei Livemocha einloggen muss, findet man diese Übungen übrigens mit Google. Ich selbst finde es nicht so toll, dass diese Teile frei einsehbar sind, ohne dass explizit darauf hingewiesen wird.

Als Beispiel könnt ihr auch diese Sprechübung ansehen, bei der es allerdings nicht um das Sprechen, sondern um das Vorlesen geht (das ist bei allen Sprechübungen in Livemocha so). Die Krönung finde ich diese Satzkombination: „Das Mädchen ist jung. Die Münze ist nicht grün“. Etwas sinnvoller ist da schon diese „Sprechübung“ zur Wegbeschreibung, allerdings wurde auch sie ohne Anpassung ins Deutsche übertagen (Highway, Blocks …)

Die Aufgabenstellungen zum Schreiben sind ebenfalls an den Lektionen orientiert. So heisst es zum Beispiel “ Beschreibe (mit positiven und negativen Eigenschaften) die Gegenstände, die du in dieser Lektion gelernt hast. z.B. Diese Blumen sind nicht rot. Sie sind blau.“ Für Fortgeschrittenere gibt es auch offenere Aufgaben wie zum Beispiel „Beschreiben Sie ein beliebtes Essen oder Getränk, das es nur in Ihrem Land gibt. Welche Zutaten braucht man, um dieses Essen oder Getränk zuzubereiten?“

Googelt nach „livemocha Deutsch writing exercise“, dann findet ihr noch genügend andere Beispiele.

Weil die Texte und Ausspracheübungen ziemlich inhaltsleer sind, fallen auch die Kommentare entsprechend aus. Eine Diskussion oder ein Austausch zum Inhalt kommt nicht zustande (zumindest habe ich nichts dergleichen geshen). Die Interaktion beschränkt sich ganz auf die Korrektur. Auch die  Korrekturwerkzeuge sind weniger ausgereift als bei der gestern vorgestellten Plattform Lang-8. Im Prinzip handelt es sich beim Aufgabentool von Livemocha um eine Art Forum-Software mit Audioaufnahmefunktion und man hat die üblichen Formatierungsmöglichkeiten, kann aber eben nicht automatisch den Text übernehmen etc.

Dass man selber freie Texte schreibt oder spricht, ist nicht vorgesehen. Die Schreib- und Sprechaufgaben stehen nur zur Verfügung, wenn es vorformulierte Aufgaben gibt. Wenn es keine gibt, hat man also gar nciht die Chance, selber etwas aufzunehmen und eine Korrektur zu bekommen. Die Lernenden werden also gewissermassen davon abgehalten, selber sinnvollen Inhalt zu produzieren und ihn von anderen korrigieren zu lassen. Das ist sehr schade, denn dass man Kommentare zu Texten und Audioaufnahmen abgeben kann (sowohl geschriebene wie auch Audio-Kommentare) wäre eine der grossen Stärken von Livemocha. Dass es Aufgaben gibt, die man bearbeiten kann, ist im Prinzip ein Plus. Verbessern müsste man die Aufgabenstellung und es wäre auch gut, wenn es Musterlösungen gäbe, auf die man zentral zugreifen könnte (die könnten ja durchaus von den Mitgliedern zur Verfügung gestellt und auch bewertet werden.)

Livemocha plant, dass man die Plattform auch zum Unterrichten nutzen kann (gegen Gebühr oder Punkte). Vielleicht wird es in diesem Zusammenhang dann die Möglichkeit geben, dass die Nutzer (oder zumindest ein Teil davon) mehr Gestaltungsmöglichkeiten erhalten. Die Nutzer von Livemocha haben selber viele gute Vorschläge. Wenn möglichst viele davon umgesetzt werden, wird Livemocha vielleicht tatsächlich mal zu einem Ort, den man sinnvoll zum Sprachenlernen nutzen kann. Im Moment ist es das meiner Ansicht nach noch nicht wirklich.

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8 Kommentare

  • 1. Martin Kraus  |  14. August 2009 um 10:00

    Hallo!

    Das war ja eine schnelle Reaktion auf meinen Kommentar. 🙂

    Eine kleine Korrektur: wie bei den Schreibübungen, gibt es auch Sprechübungen, die über das Vorlesen hinausgehen:
    http://www.livemocha.com/spanisch/speaking/exercises/8813882

    Mein Eindruck von den Kursen ist fast noch schlechter als hier beschrieben: in vielen der deutschen Texte zum Vorlesen sind zum Beispiel einzelne grammatische Fehler, manchmal werden auch unübliche bzw. umgangssprachliche Wörter verwendet ohne darauf hinzuweisen (z.B. „ich bin ein Student“ statt „ich bin Student“ oder „die Münze ist silber“ statt „statt die Münze ist silbern“.)

    Die kostenpflichtigen Zusatzangebote hab ich mir nur für Spanisch angeschaut und da sind sie das Geld definitiv nicht wert.

    Meiner Meinung nach ist Livemocha vor allem als Ergänzung sinnvoll (und wird auch so von den meisten Usern benutzt): für Anfänger zum Üben der Aussprache (wo findet man sonst eine kostenlose Möglichkeit die eigene Aussprache von nativen Sprechern korrigieren zu lassen und das wann und so oft man will?) und für fortgeschrittene Lernende bietet sich der Chat an (wo findet man sonst immer so einfach Muttersprachler, der Sprache die man lernen will, und die selber die Sprache lernen wollen, die man als Muttersprache spricht?) Den Chat kann man wahlweise nur per Text, mit Audio oder mit Video durchführen.

    Im Prinzip stimme ich mit den meisten Aussagen im Blogeintrag überein. Aber ich glaube, es fehlt der Hinweis, auf die Anzahl der Benutzer: mehr als 3 Millionen. Allein die Lösungen von Benutzern zu den deutschsprachigen Aufgaben kommen etwa im Minutentakt(!) rein. Welche andere Lern-Plattform für Deutsch ist so erfolgreich? Die Vielzahl an Muttersprachlern, von denen viele bereit sind zu korrigieren, ist ein wesentlicher Pluspunkt von Livemocha.

    Weitere ähnliche Lernplattformen (neben lang-8): http://www.busuu.com/de und http://de.babbel.com/go/einfach-sprachen-lernen

    Viele Grüße

    Martin

  • 2. Cornelia  |  14. August 2009 um 10:32

    Danke für den fundierten Komentar und die Ergänzung, was die Sprechübung betrifft.

    Dass meine negative Einschätzung der Kursinhalte nicht so richtig rüber gekommen ist, überrrascht mich jetzt doch etwas. Für meine Verhältnisse war das ein ziemlich heftiger Verriss.:-)
    Was deine Bemerkung zu den Fehlern und unüblichen Ausdrücken betrifft, hast du ganz Recht. Darauf gründet sich unter anderem meine Aussage, dass die Texte unbesehen aus dem Englischen übersetzt wurden. Da könnte eine so grosse Community doch sicher helfen (mit einem geleiteten Korrekturprozess, evtl. mit einem Wikiartigensystm), aber leider bleibt dieses Potential ungenutzt. Zumindest die Kontrolle der Übersetzungen scheint zu fehlen.

    Ich stime dir zu, dass die Community das grosse Plus von Livemocha ist, aber ich finde, sie wird schlecht genutzt. Aufgaben mit echtem Inhalt würden stärker zur Interaktion anregen. (Das sieht man zum Beispiel bei Lang-8, wo häufiger zum Inhalt diskutiert wrid).

    Die Kommentare sind häufig nicht so hilfreich, weil auch wenig Unterstützung gegeben wird. Zum Beispiel wäre es sinnvoll, wenn es ein einfaches Tutorial gäbe, in dem erklärt wird, worauf man bei Aussprache achten kann – so sind die meisten der Kommentare wenig hilfreich. Das Kommentarpunktesystem von Livemocha fördert meiner Ansicht nach auch nicht unbedingt das Schreiben sinnvoller Kommentare, sondern eher das Schreiben vieler Kommentare.

    Es wäre auch gut, wenn es für vordefinierte Aufgaben Musterlösungen gäbe (zwei drei Muttersprachler lesen den Text vor) und man sich das dann anhören könnte (am besten direkt verlinkt bei der Aufgabe). Lieber wäre es mir allerdings, wenn sich die vordefinierten Aufgaben drastisch verändern würden oder man eben auch völlig frei Texte schreiben und sprechen könnte (evtl. unter angabe der vorgelesenen Vorlage).

    Einige andere Plattformen liegen noch in meinem Ideenspeicher, aber bis ich wieder dazukomme, mich in so was zu vertiefen, dauert es diesmal wohl wirklich eine Weile. 🙂

    liebe Grüsse aus der Schweiz

    Cornelia

  • 3. Martin Kraus  |  14. August 2009 um 14:19

    Ich glaube, deine Einschätzung ist schon gut rübergekommen. Es ist halt so, dass die Kurse von Livemocha wirklich nicht gut sind. (Im Wesentliche sind sie eine schlechte Kopie von dem System von Rosetta Stone. Und Rosetta Stone finde ich schon nicht besonders gut.) Die Frage ist höchstens noch: ist ein schlechter Kurs besser als gar keiner (so wie bei lang-8)? Da würde ich sagen, dass ein schlechter Kurs zumindest motivieren kann sich durchzuarbeiten und bestimmte Aufgaben zu machen. Bei lang-8 muss der Lernende sich selbst motivieren, was auf Dauer viel schwieriger ist.

    Vielleicht erklärt sich die Oberflächlichkeit der Kommentare bei Livemocha im Vergleich zu lang-8 auch aus der Masse heraus: bei Livemocha gibt es einfach viel mehr Übende, so dass für die einzelne Korrektur weniger Zeit bleibt. Auch die Übenden scheinen sich weniger Zeit für die einzelnen Übungen zu nehmen und deshalb nicht zu diskutieren. Wenn man nur schreiben will und sich alleine motivieren kann ein Tagebuch zu schreiben, ist lang-8 sicher die bessere Wahl.

    Was die Qualität der Kommentare angeht, habe ich bei beiden Plattformen unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Mit diesen Unterschieden müssen wir wohl lernen zu leben. (Das gilt wohl allgemein für das Mitmach-Web).

    Und dann gibt es noch andere Probleme bei Livemocha: z.B. Spam und Nutzer, die nicht wirklich lernen, sondern nur chatten wollen. Falls jemand Livemocha ernsthaft ausprobieren will, empfehle ich dringend die Option als Sprachpartner vorgeschlagen zu werden AUSZUSCHALTEN. (vorgeschlagener Sprachparter = vorgeschlagenes Ziel von Spam!). Seine „Freunde“ sollte man wohl am besten durch das Korrigieren von kürzlich abgegebenen Aufgaben finden, dabei kann man dann schon eine Auswahl treffen. Für die meisten anderen Nutzer bleibt man im Wesentlichen unsichtbar, wenn die Sprachpartner-Option ausgeschaltet ist.

    Viele Grüße

    Martin

  • 4. Cornelia  |  14. August 2009 um 14:55

    Vielen Dank für diese Ergänzungen zu Livemocha.

    Mich interessieren solch Plattformen primär als Ergänzung für Leute, die schon in einem Sprachkurs sind oder autonom auch mit anderen Materialien arbeiten. Meine Antwort wäre also, dass es besser ist, mit mehr als einem Tool oder Kurs zu arbeiten, die möglichst gut zu den jeweiligen Zielen und Bedürfnissen passen, als einfach zu nehmen, was da ist, selbst wenn es nicht gut ist. Wie du schon gesagt hast: als Ergänzung zum Üben der Aussprache und des Schreibens kann es sinnvoll sein.

    Sprachlernplattformen gibt es ja wie Sand am Meer. Vielleicht ist irgendwo die perfekte drunter … 🙂

    Liebe Grüsse

    Cornelia

  • 5. alex  |  21. August 2009 um 00:36

    ich bin jetzt auch auf livemocha gestossen und finde es auf den ersten blick nicht schlecht (vielleicht weil ich keine andere kenne?).

    welche seite würdet ihr sonst emfehlen?um ein paar grundkenntnisse von irgendeiner sprache zu lernen

    mfg

  • 6. Cornelia  |  21. August 2009 um 06:17

    Die perfekte Lösung habe ich wie gesagt noch nicht gefunden. Da vor allem die Kuse von Livemocha nciht so toll sind, würde ich es vielleicht mit zusätzlichem Material kombinieren. Um welche Sprache geht es denn?

  • 7. Daniel in Buenos Aires  |  20. November 2009 um 04:49

    Hier ist ja eine sehr interessante Diskussion entstanden. Ich habe mich bei Livemocha vor über einem Jahr registriert und muss sagen, dass ich vom Angebot auch sehr enttäuscht war. Wer denkt, dass man mit Livemoche eine Sprache lernt, hat verloren. Anfangs habe ich oft nur Heiratsanträge bekommen. 😉

    Die Ausspracheübungen korrigiere ich mit einer Aufnahme von mir. Einige meiner Schüler habe ich dazu ermutigt, sich bei Livemocha anzumelden, aber auch diese haben sich mehr versprochen und sind entäuscht. Die Qualität muss verbessert werden und dies sollte bei diesem Potenzial möglich sein.

    Saludos
    Daniel

  • 8. michael  |  2. Januar 2012 um 12:01

    Interessante Diskussion. Wie denkt ihr denn z.B. über babbel.com oder über busuu.com? Eure Einschätzung würde mich interessieren.


Linktipp

SPRACHLICH: Dies, DaF, ecetera. Für Lernende (Aussprache, Grammatik, Hörverstehen und mehr) und Lehrende.
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