IDT, die zweite
4. August 2009
So, gestern hat sie endlich angefangen, die IDT. Obwohl so viele Leute da sind, habe ich schon erstaunlich viele Leute getroffen, die ich kenne. Dass ich auch schon viele neue kennengelernt habe, hat mich da schon weniger überrascht. Die allgemeine Stimmung ist bisher übrigens sehr gut. Irgendwie wie ein grosses Deutschfest. Ich finde das Tagungsgelände bisher auch erstaunlich übersichtlich. Ich habe mir das alles viel verwirrender vorgestellt.
Am Montagnachmittag war ich in der Sektion E4, wo es um Web 2.0 Anwendungen geht. Einmal mehr ist mir aufgefallen, dass ich die an die Vorträge anschliessenden Fragen und Kommentare meistens sehr viel spannender finde, als die Vorträge selbst (wobei man natürlich nie vergessen darf, dass sie durch die Vorträge erst ermöglicht werden). Die Kommentare und Fragen betreffen halt meistens die Punkte, an denen noch Baustellen bestehen und genau die sind ja interessant. Im Folgenden schreibe ich über ein paar der Baustellen an denen ich entweder hängengeblieben bin, oder die mir sonst irgendwie wichtig erscheinen. Es sind auf jeden Fall immer subjektive Eindrücke und Überlegungen zum Teil 1a (Sektion E4).
In mehreren Vorträgen wurde erwähnt, dass die Infrastrukur für die Nutzung von Web 2.0 kaum noch ein Problem sei und in der Regel zur Verfügung stehe. Zwei Stunden vorher hat mir aber ein Iraker beim Mittagessen erzählt, dass es an seiner Uni als einziges Medium Kreide und Tafel gebe und das schätzungsweise nur 10% der Iraker Zugang zum Internet hätten. Sein Kollege fügte an, dass bei einer Umfrage in einer Gruppe von Studenten nur drei (ich glaube von 20) eine E-Mail-Adresse gehabt hätten. Im Prinzip wusste ich schon, dass unser Zugang zum Netz und zu Infrastruktur nicht auf der ganzen Welt Realität ist, aber es ist doch was anderes, das so zu hören und dass die Infrastruktur auch oder gerade an Unis so schlecht ausgebaut ist, hat mich dann doch überrascht. Immerhin meinte mein Gesprächspartner, dass der Internetzugang im Irak vergleichsweise günstig sei. Ich weiss jetzt nicht so recht, ob Web2.0 in absehbarer Zeit in Kontexten möglich sein wird, in denen jetzt selbst CD-Player nicht zur Verfügung stehen oder ob im Gegenteil das Internet und alles was dazu gehört doch relativ bald zu einer grossen Chance werden kann, denn schliesslich haben sich heute in vielen abgelegenen Gebieten, in denen es nie Festnetz gab, Mobiltelefone durchgesetzt.
Aus den Diskussionen ist mir geblieben, dass Web2.0 und Urheberrecht wirklich ein Thema ist, bei dem noch sehr viele Fragen offen sind. Von Land zu Land unterschiedliche Gesetzgebungen machen das Thema für so eine herkunfstmässig durchmischte Tagung aber sehr schwierig. Positiv erwähnen möchte ich in diesem zusammenhang die deutsche Welle, die sich nicht nur einige Mühe macht, Inhalte in verschiedenen Formaten zur Verfügung zu stellen, sondern auch bei vielen Beiträgen das Einbetten (der bei youtube eingestellten Beiträge) in andere Webseiten erlaubt. Das ist zwar an sich keine Klärung der rechtlichen Situation, aber das Einbetten erleichtert die Kombination mit eigenen Fragen und Aufgabenstellungen.
Auch ein Thema, dass in den Kommentaren und Fragen einigen Raum einnahm, waren die Spielregeln im Zusammenhang mit Online-Projekten. Wie mehrfach erwähnt wurde, scheint es mir wichtig, das klar ist, was geht und was nicht, und zwar in Bezug auf die Nettiquette, die Verwendung von Bildern, das erwartete Produkt etc. In der Vorbereitung meiner Projekte nimmt das in der Regel am meisten Zeit ein. Die technische Seite selbst ist sehr viel weniger aufwendig. Die genaue Vorbereitung lohnt sich aber, denn sorgfältig ausgearbeitete Projektspielregeln fördern indirekt auch die Medienkompetzenz der beteiligten, indem sie zum Beispiel erfahren, dass Bilder im Internet nicht einfach wild kopiert werden dürfen, nur weil kein Copyrightvermerk angegeben ist, dass es aber andererseits Lizenzen gibt, die die Verwendung unter bestimmten Regeln erlauben.
In welchem Masse es Aufgabe des Deutschunterrichts ist, zur Medienkompetenz im Bereich neue Medien beizutagen, wäre noch zu klären. Die Antwort fällt vermutlich je nach Zielgruppe unterschiedlich aus. Ich finde aber, dass man mit der Entscheidung, die neuen Medien für den Unterricht einzusetzen auch die Verantwortung übernommen hat, die Lernenden beim sinnvollen Einsatz zu unterstützen und das bedeutet nicht nur Bereitstellen der Spielregeln, sondern auch Hilfe bei der Anwendung und Kontrolle (die aber je nach Zielgruppe mehr oder weniger genau ausfallen kann). Meiner Ansicht und Erfahrung nach kann man sich dabei nicht auf die vielbeschworene Kompetzenz der Lernenden verlassen. Sie haben zwar vielfach keine Berührungsängste und häufig auch Routine im Gebrauch verschiedenster Anwendungen, aber das ist nicht dasselbe wie das Wissen um Chancen und Risiken und didaktisch sinnvolle Einsatzszenarien. Nur weil ich gewohnt bin fernzusehen, heisst das ja nicht automatisch, dass ich meinen Konsum sinnvoll steuere.
Im Zusammenhang mit Facebook kam die Frage auf, ob die Lernenden es tatsächlich schätzen, wenn man die von ihnen privat genutzten Tools in den Unterricht integrieren möchte. Den Ansatz der Referentin, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man Facebook auch zum Deutschlernenbenutzen kann – aber eben ohne direkte Anbindung an einen Kurs – fand ich sehr gut. So kann jeder selbst entscheiden. Die Vorschläge (Bedienungssprache auf Deutsch umstellen, Tandempartnersuchen, Quiz oder Umfrage erstellen) lassen sich aber auch in den normalen Untericht oder in eine Lernplattform integrieren und sind nicht eigentlich Facebook spezifisch.
Die Sektionsleitung hat übrigens angekündigt, dass sie ihre Notizen ebenfalls in einem Blog veröffentlichen werden. Sobald ich die Adresse habe, werde ich sie verlinken.
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10 Kommentare
1. Joachim | 5. August 2009 um 09:53
Danke für die gute Zusammenfassung der Diskussion der ersten beiden Tage. Als Einschränkung vielleicht. Bei den Videos der in offiziellen Kanälen von Youtube finde ich die urheberrechtliche Situation eindeutig geklärt. Alle Rechte liegen beim Produzenten, der, wenn der Embed-Code aktiviert ist, eine kostenlose Zweitverwertung auf anderen Seiten bis auf Widerruf erlaubt.
2. adrian | 5. August 2009 um 11:14
Vielen Dank fuer die Neuheiten! !find es echt klasse, danke, dass du uns auf dem laufenden hältst.
LG
adrian
3. Frank | 5. August 2009 um 11:21
http://idt2009e4.wordpress.com/
Aber noch ohne Inhalte
4. Susi | 5. August 2009 um 17:22
ad Medienkompetenz vermitteln: Ich denke Deutschunterricht bedeutet, den Lernenden beizubringen, sich auf Deutsch zu bewegen, sei es schriftlich, mündlich, per email, in gedruckten Texten aber auch im deutschsprachigen Internet. Und so wie wir unseren Lernenden erklären, dass man in der deutschsprachigen Welt zur Begrüßung die Hand schuettelt oder wie man ein Email schreibt, gehören auch die Spielregeln des Internets dazu – wenn die auch in aller Welt (scheinbar) ähnlich sind….
lg aus Jena
Susi
5. Cornelia | 5. August 2009 um 20:36
@Joachim: da hast du Recht. Eigentlich hatte ich so was in der Richtung schreiben wollen, dass es schade ist, dass die Beiträge nicht unter einer Lizenz stehen, die die Verarbeitung unter weitern Gesichtspunkten regeln, aber das ist nun wirklich nicht aus dem Satz herauszulesen. Zudem finde ich das Angebot des Einbettens wirklich schon sehr gut, und wollte deshalb nicht kritisch oder fordernd klingen, denn die Möglichkeit des Einbettens bieten ja lange nicht alle öffentlich-rechtlichen Anbieter. Bei dem ganzen ist dann die geplante Aussage völlig verloren gegangen.
Obwohl Einbetten schon viel bringt, finde ich dass wir auch Inhalte brauchen, die man stärker verändern darf als sie „nur“ in einen neuen Kontext einzubetten und da wären entsprechende Lizenzen schon toll.
6. Cornelia | 5. August 2009 um 20:37
@Frank: dann bin ich mal auf den Inhalt gespannt.
7. Cornelia | 5. August 2009 um 21:13
@Adrian: Schön, dass du mitliest!
8. Joachim | 5. August 2009 um 21:43
Man kann über die Youtube-API wunderbar auch nur Video-Ausschnitte ansteuern! Bei DeutschLern.net unterstütze ich das bereits, bestimmt hat für WP auch schon wer eine Lösung dafür geschrieben, sehe ich dir mal nach! Wir sehen uns ja noch.
9. Cornelia | 5. August 2009 um 22:14
@Joachim: Danke schon im Voraus!
Ich habe bisher nur mal splicd ausprobiert, aber die Endmarkierung hat da nicht geklappt. Ich könnte allerdings auch mal schauen, ob sich da inzwischen was getan hat.
10. Cornelia | 5. August 2009 um 22:36
@Susi: Ja, stimmt!
Mir will aber nicht aus dem Kopf, dass mir Lehrende immer wieder erzählen, dass gerade in niederschwelligen Kursen, in denen es durchschnittlich am häufigsten Menschen mit fehlendme Zugang zu Internet und neuen Medien gibt, auch die Infrastruktur im Kursraum fehlt. Vielleicht könnten da noch mehr Anregungen helfen, wie man mit wenig Ressourcen trotzdem für die Zielgruppe sinnvolle Aufträge umsetzen kann. Mit Pufferaufgaben und Organisationsgeschick kann man zum Beispiel Aufnahmen auch mit nur einem Computer hinkriegen. Wie geht ihr mit Infrastrukturproblemen um und habt ihr Lösungsvorschläge für sie?