Der europäische Referenzrahmen
19. Dezember 2006
Spätestens wenn man eine Bewerbung schreibt, überlegt man sich, wie gut man eine Sprache eigentlich kann. Oft produziert man dann Dinge wie: „französisch, mündliche Kenntnisse“. Was das dann tatsächlich heisst, ist sehr personenabhängig.
Seit einigen Jahren gibt es für Sprachkenntnisse ein Klassifizierungssystem, das nicht nur sprachübergreifend verwendet werden kann, sondern auch nach unterschiedlichen Fertigkeiten differenziert. Der gemeinsame europäische Referenzrahmen teilt die Sprachbeherrschung in die sechs Niveaus A1, A2, B1, B2, C1 und C2. A1 sind Anfänger, C2 ist eine mit Muttersprachlern vergleichbare Sprachkompetenz.
Einteilungen in Niveaus sind an sich nichts Neues. Speziell am europäischen Referenzrahmen ist, dass es zu jedem Niveau und jeder Fertigkeit (Hören, Lesen, Schreiben, Sprachmittlung, Sprechen) festgelegte Kriterien gibt. Diese Kriterien sind so genannte Kann-Beschreibungen. Sie heissen so, weil sie formulieren, was man auf einem bestimmten Niveau kann. Für das Niveau A1 heisst es zum Beispiel für die Fertigkeit Schreiben „Ich kann eine einfache Postkarte (z.B. mit Feriengrüssen) schreiben“ oder „Ich kann auf einem Fragebogen Angaben zu meiner Person machen (Beruf, Alter, Wohnort …)“. Diese Kannbeschreibungen sind also praxisorientiert und nicht grammatikbezogen (auf den höheren Niveaus spielt die sprachliche Richtigkeit allerdings auch eine Rolle).
Die Aufteilung nach Fertigkeiten macht es möglich, die Sprachkompetenz sehr differenziert darzustellen. Viele Leute sind besser im Sprechen als im Schreiben (oder umgekehrt). Im europäischen Referenzrahmen drückt sich dass dadurch aus, dass man z.B. im Schreiben auf Niveau A2 ist, im Sprechen aber schon auf B1.
Seine Sprachkenntnisse kann man mit so genannten Portfolios dokumentieren. Die Sie existieren in unterschiedlichen Sprachen und für verschiedene Zielgruppen, berufen sich aber alle auf dieselben Grundlagen. Bei der FU-Berlin kann man das Portfolio für den Hochschulbereich in deutscher Sprache downloaden. Wer scih den Papierkrieg sparen will, ist vielleicht mit dem e-Portfolio von EAQUAS-Alte besser bedient. Man kann es runterladen und auf Mac, PC oder Linux installieren (Bravo!). Ausprobiert habe ich es bisher nur auf Mac.
Die Menüsprachen dieses Portfolios sind Französisch und Englisch.
Um festzustellen, auf welchem Niveau man sich befindet, bieten alle Portfolios Raster zur Selbstbeurteilung und detaillierte Checklisten. (Raster und Checklisten mit den Kannbeschreibungen (ab S. 9) zum Hochschulportfolio.)
Die Portfolios sind nicht reine Dokumentationstools, sondern sollen das autonome Sprachenlernen zu unterstützen. Wer einfach nur festhalten will, welche Kompetenzen er in verschiedenen Sprachen hat, ist vielleicht mit dem Sprachenpass besser bedient. Man kann ihn online aufüllen und dann runterladen.
Natürlich sind mit dem Referenzrahmen noch nicht alle Probleme gelöst. Selbsteinschätzung ist etwas Schwieriges und auch Lehrer tun sich manchmal schwer, bestimmte Aufgaben oder Kenntnisse einem bestimmten Niveau zuzuordnen, aber es ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, weil er Sprachkenntnisse vergleichbarer macht.
Abgelegt unter: Für Lehrende,Für Lernende
6 Kommentare
1. holger | 19. Dezember 2006 um 14:38
Allerdings nur in Europa.Verwirrend war beispielsweise schon an der Uni, als der GER vorgestellt wurde, ein Professor das Ganze mit „amerikanischen“ Bezeichnungen wie low, intermediate und advanced durchgemischt hat und damit die „Einheitlichkeit“ ad absurdum geführt hat. Zudem denke ich, geht mit der Selbsteinschätzung leider oft die Überschätzung einher…
Aber allemal besser als „10 Jahre Englisch“… 10 Jahre geschlafen, möchte man da manchmal mutmaßen…
2. Cornelia | 19. Dezember 2006 um 18:01
Ja, du hast natürlich recht. Der Referenzrahmen ist kein Allheilmittel und allzu oft werden einfach alte Inhalte in das neue Modell gegossen. Aber einiges ist ja auch in Bewegung geraten.
Selbsteinschätzung ist etwas, was man lernen muss. Wenn man aber die Lernerautonomie fördern will, dann (und der Referenzrahmen ist auch in diesem Zusammenhang zu sehen), dann ist es ein wichtiges Konzept, in das sich Zeit zu investieren lohnt.
Es kommt sicher auf die Kursformate und die Zielgruppe an. Ich investiere in meinen Kursen (für Akademiker) ziemlich viel in Lernstrategien. Dazu gehört auch das planen des eigenen Lernens und dazu gehört, dass man eine Vorstellung davon hat, wo man steht. Wenn man die Selbsteinschätzung mit Lhererfeedback koppelt, hilft das schon.
3. Arthur | 20. Dezember 2006 um 13:54
Fehlt da nicht noch der Link zu EAQUA(L)S-Alte?
Gruss, Arthur.
4. Cornelia | 20. Dezember 2006 um 14:39
Oops. Ja. Der Link ist http://www.eelp.org/eportfolio/index.html
5. holger | 20. Dezember 2006 um 14:39
Ich habe Selbsteinschätzung einmal bei Schülern erlebt. Die Schüler waren damit überhaupt nicht vertraut und auf ihrem Entwicklungsstand (16/ 17) kamen sie zu sehr unausgewogenen Resultaten. Aber ich finde die Idee gut, vielleicht kann man das ja auch trainieren.
6. Cornelia | 20. Dezember 2006 um 15:35
Eine Möglichkeit, die Selbsteinschätzung zu unterstützen, ist wie gesagt ein Lehrerfeedback. Eine andere ist Dialang. Mittlerweile funktioniert das Programm nach längerem Serverausfall wieder. Damit kann man eine computergestützte Selbsteinschätzung mit einem Einstufungstest verbinden. Allerdings schneiden Leute, die über eine gewisse Testwiseness verfügen, eher überdurchschnittlich gut ab. Leider kann man das Progamm pro Sprache auch nur einmal einsetzen, da die Übungsdatenbank zu klein ist.