Von Päckchen und Paketen

2. Dezember 2006

In den Geschäften ist Weihnachten schon lange angekommen. Es ist wieder Zeit für Guetzli, Päckchen und Geschenkpapier. Höchste Zeit sich ein paar Gedanken zur Schreibung von Päckchen und Paket zu machen. Die beiden Wörter scheinen offensichtlich verwandt (und um ziemlich viele Ecken rum sind sie es durch die französischen Ausgangswörter), aber sie unterscheiden sich in der Schreibweise, eine Tatsache, die mir noch ziemlich weit über meine ABC-Schützinnen-Tage hinaus Probleme bereitete.

Die Schreibweise hat im Deutschen oft irgendwas mit der Aussprache zu tun. Deutsch hat das Problem, dass sehr viel mehr unterschiedlich gesprochene Vokale existieren als Vokalbuchstaben. Es gibt zum Beispiel ein kurzes und ein langes ö (wie in Hölle und Höhle), aber nur einen Buchstaben ö. Deshalb gibt es ein paar Schreibstrategien, die helfen anzuzeigen, ob ein langer oder ein kurzer Vokal gemeint ist. Eine davon ist das h. Eine andere besteht darin, dass man Konsonanten nach kurzen Vokalen verdoppelt. Damit signalisiert man die Kürze eines Vokals. Deshalb schreibt man Hölle, kommen, rennen, bellen, Ratte und Robbe. Wenn man Doppelkonsonanten sieht, weiss man also, dass man die vorausgehenden Vokale kurz spricht. (Eine Ausnahme sind zwei S in der Schweiz, weil hier das Eszett nicht verwendet wird).

Man könnte also meinen, dass man nach kurz gesprochenen Vokalen immer den Konsonanten verdoppelt. Ganz so einfach ist es aber leider doch nicht. Man schreibt zwar sammeln, aber gesamt und das obwohl die beiden Wörter verwandt sind. Immerhin stehen in gesamt nach dem kurzen A zwei – wenn auch verschiedene – Konsonanten. Die graphische Verdoppelung ist deshalb gar nicht nötig. Hinzu kommt, dass man einige Konsonanten in der Regel nicht verdoppelt, sondern Ersatzformen wählt. Statt zwei K schreibt man in der Regel ck wie in Sack und statt zwei z tz wie in Katze. Wörter wie Akkusativ und Pizza sind seltene Ausnahmen, die man sich gerade noch merken kann.

Damit wäre geklärt, warum man Päckchen schreibt und nicht Päkkchen. Aber was ist jetzt mit Paket? Das A in Paket ist nicht lang. Also müsste man ja wohl Packet schreiben? Die Lehrer, die mich in die Künste der Orthographie einführten, wollten davon nichts wissen. Paket sei genau wie Rakete und spazieren (das ich gerne mit tz geschrieben hätte) ein Fremdwort und bei Fremdwörtern seien die Regeln nicht gültig. Aha.

Diese Regel war mir nie ganz geheuer. Die genannten Wörter schienen mir gar nicht fremd. Was soll man denn bitte statt Rakete oder spazieren sagen? Erst Jahre später ist mir aufgegangen, was das Fremde an diesen Wörtern ist. Der springende Punkt ist die Aussprache. Päckchen wird wie bei „deutschen“ Wörtern allgemein üblich auf dem Stamm betont, also in diesem Fall auf der erste Silbe, nämlich „pä“. Bei Paket hat sich das deutsche Aussprachemuster nicht durchgesetzt. Betont wird die zweite Silbe, angelehnt an die französische Endbetonung. Genau diese Betonungsmuster machen den Unterschied aus. Kürze und Länge von Vokalen wird nämlich nur in den betonten Silben in der Schreibung ausgedrückt. Das ist sinnvoll, denn auch nur da kommt der Unterschied wirklich deutlich zum Tragen. Da „a“ in Paket nicht betont wird steht also auch kein Kürzesignal, Bei „pä“ in Päckchen hingegen schon, denn diese Silbe trägt den Akzent.

Schauen wir die Beispiele mal an, um zu sehen, ob das wirklich stimmt. Katze wird auf der ersten Silbe betont, das a ist kurz, deshalb schreibt man tz. Spazieren wird auf dem i betont, deshalb kein Kürzesignal für das a. Man schreibt also ein simples z. Dasselbe gilt auch für Rakete. Hier liegt der Akzent auf dem ersten e, ergo verdient das a auch kein Kürzezeichen.

Noch nicht überzeugt? Das Loch im Berg, durch das Autos oder Züge fahren, existiert in zwei Varianten. Einerseits als der Tunnel und andererseits in der vor allem im süddeutschen Raum (also auch in der Schweiz) und in Österreich verbreiteten Variante das Tunell. Mir geht es hier nicht um die unterschiedlichen Artikel, sondern um die unterschiedliche Schreibweise. Ratet mal, wie die beiden Wörter gesprochen werden.

Richtig. Tunnel trägt die Betonung auf der ersten Silbe, Tunell auf der zweiten. Das Akzentmuster sieht man also in der Schreibung, und das ist praktisch, weil man so sieht, wie man ein Wort aussprechen muss. Betont werden immer die Vokale, nach denen Doppelkonsonanten folgen.

Rechtschreibung ist manchmal erstaunlich interessant, nicht wahr?
Nachzulesen mit mehr Beispielen und Unterrichtsvorschlägen in: Wolfgang Menzel. Grammatikwerkstatt. Theorie und Praxis eines prozessorientierten Grammatikunterrichts für die Primar- und Sekundarschule. Seelze-Velber 1999, genauer im Kapitel Der Aufbau der Wörter: Wortbetonung und Wortschreibung, S. 25-28.

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4 Kommentare

  • 1. Uta  |  2. Dezember 2006 um 22:10

    Schön, dass es wieder weiter geht 🙂

  • 2. Cornelia  |  5. Dezember 2006 um 09:01

    Find ich auch!
    Liebe Grüsse

    Cornelia

  • 3. Paleica  |  7. Juli 2008 um 08:24

    erstmal hallo und schön dass du mein blog gefunden hast (wie eigentlich? hab doch noch gar nix irgendwo hinterlassen? +neugier+)
    bei mir ist das ganze eher auf emotionaler ebene (wie du wahrscheinlich gemerkt hast, hehe) und diente in erster linie zur abregung nach einem sehr mühsamen projekt. und den spuren, die es hinterlassen hat.
    das finde ich interessant. also bei uns (in österreich) wird spekulieren schon auch teilweise anders ausgesprochen als speck. also zumindest in unserer version der schriftsprache, nicht im dialekt.
    aber danke für die aufklärung (=
    viele grüße,
    paleica

  • 4. Cornelia  |  7. Juli 2008 um 08:42

    Dafür gibt’s Suchmaschinen 🙂 WordPress-Blogs werden automatisch indexiert und da ich gestern nach Blog und Sprache gesucht habe, bin ich dann halt auch über deins gestolpert.

    Betont ihr spekuliren dann auch auf der ersten Silbe? Oder bleibt die Betounung auf dem -ieren?
    Erstsilbenbetonung bei Fremdwörtern ist in der Schweiz in der Hochsprache ein häufiges Phänomen. Über Österreichisches Hochdeutsch weiss ich schlicht zu wenig.

    liebe Grüsse (in der Schweiz ohne Eszett),

    Cornelia


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