Lernplattformen sind tot – es leben die Lernplattformen
25. September 2009
Auf Empfehlung von Jaochim (über Twitter) habe ich eine Podiumsdiskussion zur These „Lernplattformen sind tot“ angesehen. Sie fand im Rahmen eines Symposiums der Association for learning technology Anfang September 2009 statt. Interessant sind vor allem die ersten ca. 25 Minuten, in denen je zwei Sprecher Argumente für (Steve Weehler, Graham Attwell) und Argumente gegen (Nick Sharratt und James Clay) diese These anführen.
http://elearningstuff.wordpress.com/2009/09/09/the-vle-is-dead-the-movie/ via Joachim in Twitter.
Im Folgenden fasse ich die Aussagen, die mir wichtig oder auch einfach interessant oder witzig scheinen, kurz zusammen. Ich habe das Video aber nur einmal gesehen und mir dazu Notizen gemacht. Es ist also keine notariell beglaubigte Zusammenfassung :-). Ich zitiere also nicht genau, es sind aber auch nicht meine eigenen Gedanken. Ihr müsst wohl selber wissen, was ihr damit anfangen wollt. 🙂
Die Diskussion ist übrigens ziemlich witzig und kurzweilig. Falls ihr keine Zeit für die ganzen 76 Minuten habt, so könnt ihr euch auch auf die ersten 25 beschränken.
In Klammern steht, von welchem Redebeitrag ich die Aussagen abgeleitet habe.
Lernplattformen sind tot
- Lernplattformen (Virtual learning environments, im Folgenden immer Lernplattform) sind eigentlich vor allem CMS (Content management systeme), die Inhalte verwalten, aber nicht das Lernen fördern.
- Lernplattformen machen das Web zu einem Trichter
- Lernplattformen sind nicht individuell. Sie gehören Institutionen, nicht den Lernern.
- Studenten werden in der Regel nicht gefragt, ob sie eine Lernplattform wollen und welche sie wollen, die Lehrer auch selten, oft entscheiden Leute, die keine Experten in Didaktik sind.
- Lernplattformen sind nicht besonders gut für diskursives Lernen geiegnet
- Abgeschlossener Raum ohne Kontakt zur Aussenwelt obwohl dieser Kontakt zuweilen ganz gut täte
- Warum soll man Dinge auf einer Lernplattform machen, wenn man sie auch ausserhalb davon machenn kann (Steve Wheeler)
- Lernplattformen wurden für eine Didaktik geschaffen, in der der Lerngegenstand vom Lehrer verwaltet wird.
- Wenn man lernen will, benutzt man eher Google als eine Lernplattform als Ausgangspunkt.
- Mit Lernplattformen erreichen wir nur Leute, die schon in Institutionen lernen –> persönliche Lernumgebungen (PLE, z.B. Sozialenetzwerke, Portfoliosysteme) würden gebraucht. (Graham Atwell)
Lernplattformen sind nicht tot
- Lernplattformen werden schon lange tot gesagt und es gibt sie immer noch
- alte Unterrichtsformen wie Vorlesungen sind noch lange nicht überlebt
- Lernende sind noch nicht reif für persönliche Lernumgebungen, die sie mit WEb 2.0 Tools gestalten und die sie sinnvoll und effektiv zum eigenständigen Lernen einsetzen
- Lernplattformen bieten eine Grundstruktur und führen die Lernenden. (James Clay)
- Web 2.0-Elemente können und sollen in die Lernplattform integriert werden.
- nur ein kleiner Teil der Lernenden nutzt Wikis, Blogs etc. selber aktiv
- Web 2.0-Anwendungen sind vielleicht Tools für Rebellen, die immer das neueste Spielzeug ausprobieren wollen?
- Lernplattformen sind noch nicht fertig: weder am Ende noch vollendet
- Sie dienen als eine Art sicherer Hafen.
- Lernplattformen sollten das Erstellen von neuem und aktivierendem Inhalt ermöglichen (Nick Sharratt)
Im für das Plenum offenen Teil der Diskussionkamen noch ein paar neue Pukte zur Sprache von denen ich erwähnen möchte:
- Dass man eine Lernplattform nutzt, heisst nicht, dass man auf Web 2.0-Elemente verzichten muss. Man kann sie in die Lernumgebung reinholen.
- Man muss Lernplattformen kreativ einsetzen: A VLE can be everything you need.
- Institutionen sollten Wege finden, wie sie ihre Inhalte öffentlicher machen können, so dass mehr Leute Zugang dazu haben
- Frage nach dem richtigen Tool für einen bestimmten Zweck: Das muss man sich auch bei Lernplattformen fragen.
- Persönliche Lernumgebungen sind vor allem ausserhalb klassischer Lernkontexte wichtig.
Mein Kommentar
Die Diskussion hat sehr viel von dem erwähnt, was mir selber durch den Kopf geht. Mir ist wichtig Folgendes festzuhalten:
- Der Einsatz von Lernplattformen schafft nicht automatisch einge gute Lernumgebung .
- Wie bei jedem anderen Werkzeug muss man abklären, ob es für den intendierten Zweck geeignet ist (oder ob man nicht doch besser einen im Netz verfügbaren Podcast macht, ein allein stehendes Wike mit Passwort benutzt etc)
- Was man mit einem Tool macht, ist der Knackpunkt: Ich kann meinen Lernenden nur Unterlagen zur Verfügung stellen, aber auch Formen finden, die sie stärker involvieren. Eine Aufgabe zu finden, die die Lernenden dazu anregt, die Sprache zu benutzen, mehr über sie zu erfahren etc. ist die eigentliche Kunst. Wenn man das mit einer Form von E-Learning utnerstützen kann, ist das gut, aber das Tool sollte nicht überherrschen.
So, das wär’s erstmal von mir. Ergänzungen, Berichtigungen und Kommentare sind sehr willkommen.
Abgelegt unter: E-Learning / neue Medien,Forschung / Theorie / Didaktik,Theorie
7 Kommentare
1. Herr Rau | 25. September 2009 um 10:57
Vielen Dank für die hilfreiche Zusammenstellung. Mein Interesse ist nicht groß genug, als dass ich die aktuelle Diskussion verfolgen würde – aber dann doch wieder so groß, dass ich gerne einen Überblick habe.
2. Joachim | 25. September 2009 um 11:57
Danke für die deutsche Zusammenfassung! Schade dass es in der Web 2.0 Sektion auf der IDT nicht so locker zuging. Auch ich fand die Debatte durch die Verbindung von spannenden Beiträgen und witzigem Vortrag sehr anregend.
3. Cornelia | 25. September 2009 um 12:20
Ja, ich auch. Deshalb habe ich ja auch bis zum Schluss durchgehalten.
4. Eva | 25. September 2009 um 12:57
Ich praktiziere seit zwei Wochen zum ersten Mal eine sogenannte Lernplattform. Meine dänischen ProjektpartnerInnen haben darauf bestanden. Mir hätte ein guter alter Weblog gereicht, oder sogar nur die Funktion von Twitter „Was machst du gerade?“. Ich finde es trotzdem spannend, die Umgebung von Ning kennenzulernen, die wirklich (fast?) alle Funktionen beinhaltet, die mein Herz begehrt. Nur der Kontakt von Gruppe zu Gruppe ist nicht möglich. Ich bin inzwischen ziemlich müde (es ist viel Arbeit, die Plattform im Auge zu behalten, was mir bei Collègiens wichtig erscheint) und frage mich, ob meine Begeisterung über die Ausdrucksmöglichkeiten (eigene Seite, eigene Fotos, eigene Musik, etc.) der SchülerInnen mich noch über Weihnachten hinwegtragen wird oder ob ich vorher aufhören werde. Neugierigen gebe ich eine Schnupperadresser per E-Mail (evalacroix@free.fr).
5. Nick Sharratt | 26. September 2009 um 12:03
Thanks for the summary in German, and glad it seems you enjoyed the debate 🙂
just wanted to note, my name is actually spelt Nick Sharratt 😉
6. Cornelia | 26. September 2009 um 13:06
Sorry! Orthography is not one of my stronger points. 🙂 At least, with English, you can always put the blame on the system. 😉
I will of course correct your name.
Cornelia
7. Cornelia | 26. September 2009 um 14:00
@Eva: Mich interessiert es natürlich, wie immer 😉
Corenlia