Tagungsbilanz

22. Juni 2008

Die 2. Gesamtschweizerische DaF-Tagung (siehe hier) ist vorbei. Meine Bilanz ist durchgehend positiv. Die Organisation war sehr gut (auf diesem Weg nochmals Danke an die Organisatoren) und die fachlichen Beiträge überwiegend auch. Sehr gut gefallen hat mir, dass es nicht „nur“ um Unterricht ging, sondern dass in vielen Beiträgen und einigen Workshops auch Forschungsprojekte und -ergebnisse vorgestellt und einbezogen wurden. Dass fehlt mir in der Schweizer DaF-Landschaft oft, wo DaF als Forschungs- und Unterrichtsgegenstand lange ein Mauerblümchendasein fristete, was sich aber zum Glück langsam zu ändern beginnt.

Zu Beginn der Tagung zeigte Claudio Nodari vom IIK am Beispiel von einigen Lernertexten, dass die Unterschiede zwischen DaF-, DaZ und DaM-Lernenden (Deutsch als Fremd-, Zweit-, bzw. Muttersprache) im Bereich Textkompetenz nicht so gross sind, wie man meinen könnte. Auch Claudia Riemer von der Uni Bielefeld plädierte dafür, dass diese drei Didaktikzweige durchaus bei einander abschauen und miteinander interagieren sollen, da sich in der Realität die Grenzen zwischen dem prototypischen DaF-, DaZ bzw. DaM-Lernenden oft nicht so klar ziehen lassen. Ein weiterer wichtiger Punkt ihrer Ausführungen war, dass es offensichtlich nicht genügt, Lernende einfach ins sogenannte Sprachbad zu werfen und zu hoffen, dass sie ohne weitere Hilfe stilecht zu schwimmen beginnen, sprich perfekt Deutsch lernen. Sie lernen zwar Deutsch, ihr Deutsch fossiliert aber relativ schnell. Offensichtlich ist „nicht genügend sauberes Wasser im Sprachbad“, damit das gelänge. Das fehlende Wasser ist ein Bild dafür, dass die Lernenden alleine aufgund des vorhandenen Inputs in der Regel zwar durchaus in der Lage sind, ausreichende Kommunikative Kompetenzen aufzubauen, aber nicht die von Politikern geforderten Sprachkenntnisse auf dem Globalniveau B1 . Um mit Riemer zu sprechen: Sie sprechen zwar fliessend, aber eben fliessend falsch. Was man tun kann, um diesen Deutschlernenden zu helfen, ihre verfestigte Lernersprache, mit der Sie bisher erfolgreich gelebt haben, weiterzuentwickeln ist eine spannende, aber noch offene Frage.

Auf die Wichtigkeit von (den Lernenden angemessenem) Input in Verbindung mit Verarbeitung des Inhalts dieses Inputs und Formfokussierung hat auch Gerard Westhoff hingewiesen. In seiner „Ernährungspyramide für den Fremdsprachenutnerricht“ spielt neben diesen Basiselementen auch die Produktion eine wichtige Rolle. Das Produzierenlassen sowohl von Floskeln (Redemitteln oder allgemeiner Chunks) wie auch von freien (kreatieven) Äusserungen erhöht die Geläufigkeit in der Fremdsprache und macht dadurch den Arbeitsspeicher im Gehirn für andere, neue Dinge frei. Das Produzierenlassen  hat zudem die wichtige Funktion, dass man erst beim Produzieren merkt, was man eigentlich noch nicht weiss. Es ist also ein wichtiges Lerninstrument.

Wenn nun Input, Verarbeitung von Input und Produktion für das Lernen so wichtig sind, liegt es nahe, den Lernenden Sprachlernaufgaben anzubieten, in denen Sie all das anhand von authentischen  Materialien und Aufgaben tun können. Als Übungsform bieten sich deshalb Webquests an (Beispiele siehe hier). Da es aber auch bei Webquests gute und schlechte Umsetzungen gibt, hat Westhoff mit seinem Team ein Instrument entwickelt, mit dem man Webquests auf ihre Lernwirksamkeit beurteilen kann. Die Webseite zum Projekt ist unter www.talenquest.nl zu finden. Das Beurteilungsinstrument findet man hier (auf deutsche Flagge klicken). Ich selbst habe es mir aber noch nicht genauer angesehen und mir ist noch nicht klar, ob es bei der Selbsteinschätzung bleibt oder ob man ein – wie auch immer geartetes Feedback bekommt.

Die spezifische Sprachsituation in der Schweiz und ihre Berücksichtigung im Unterricht bzw. ihre Auswirkungen auf den Sprachwerwerb von Kindern und Jugendlichen wurden gleich in mehreren Veranstaltungen thematisiert. Christa Dürscheids Referat zu den Standardvarietäten im deutschen Sprachraum, indem Sie für die Reflexion über diese Varietäten im Unterricht plädiert, habe ich bereits erwähnt. Andrea Ender stellte in ihrem Beitrag das Projekt „Deutsch als Zweitsprache in Dialektumgebung“ vor. (Mehr dazu bei Linguistik online). Auch Mathilde Gygers Workshop „Lernersprache zwischen Mundart und Hochdeutsch“ liegt ein ähnliches Projekt der Pädagogischen Hochschule Basel zu Grunde. Mehr zum Projekt findet man unter „Mischcode“ hier. Bei beiden Projekten spielen die Fragen, ob die Kinder die beiden Sprachformen Dialekt und Standard bewusst unterscheiden können und ob die Diglossiesituation in der Schweiz (Dialekt und Standard in unterschiedlichen Verwendungssituationen nebeneinander) einen (negativen) Einfluss auf den Zweitspracherwerb haben, eine grosse Rolle.

Zueltzt will ich noch einen Verlagsworkshop erwähnen. Für einmal war es keine Präsentation und Anpreisung von eigenen Lehrmitteln (auch wenn der Name des Verlags öfters viel 🙂 ), sondern eine gut gemachte Einführung in die Einsatzmölgichkeiten und die Handhabung von E-Mail, Podcasts, Wikis und Blogs. Kompliment an den Referenten Stefan Deinzer vom Hueberverlag, kann ich da nur sagen – und nicht (nur 😉 ), weil er mein Blog nichts ahnend lobend erwähnt hat.  🙂

So jetzt hoffe ich, dass ich einerseits nichts völlig falsch wiedergegeben habe und andererseits, dass ich dem einen oder anderen  Appetit auf die nächste Tagung machen konnte (die es hoffentlich in zwei Jahren geben wird). In der Zwischenzeit kann man sich ja den Tagungsband und auf die IDT 2009 in Jena freuen.

1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne (Bisher keine Bewertungen)
Loading...

Abgelegt unter: Forschung,Forschung / Theorie / Didaktik,Für Lehrende,Veranstaltungen


Linktipp

SPRACHLICH: Dies, DaF, ecetera. Für Lernende (Aussprache, Grammatik, Hörverstehen und mehr) und Lehrende.
Juni 2008
M D M D F S S
 1
2345678
9101112131415
16171819202122
23242526272829
30