Hörverstehen mit Technik
9. Januar 2008
Beim Hörverstehen versucht man heute in der Regel authentische Materialien vorzuentlasten und den Lernenden durch geeignete Aufgabenstellungen zu helfen, Hörstrategien einzusetzen. Ohne diese Stützmassnahmen sind die Texte für die Lernenden aber zu schwer. Wenn also kein Lehrbuch oder kein Lehrer einen Text entsprechend aufbereitet hat, sind die Texte für die Lernenden nicht zugänglich.
Im Artikel Learner-based Listening and Technological Authenticity stellt Richard Robin einige (nicht alle ganz neue) Möglichkeiten vor, wie Lernende (und Lehrende) existierende Technologie und Hilfsmittel gezielt zum Training des Hörverstehens einsetzen können. Das ist deshalb so wichtig, weil den Lernenden damit ein riesiger Pool an Hörverstehensmaterial zur Verfügung steht, mit Hilfe dessen individuelle Präferenzen (Thema, Lernstil etc.) viel besser abgedeckt werden können, als es vorfabrizierte Hörverstehenseinheiten je könnten. Entlastung beim Hören und verständnissichernder Kontext kommen nicht vom Lehrer oder Lehrwerk, sondern zum Beispiel durch Wiederholmöglichkeit, die Kontrolle der Geschwindigkeit, automatische Übersetzung etc. Das Wissen wie man mit solchen Hilfsmitteln und authentischen Material arbeitet wäre dann die heute bereits vermittelten Hörstrategien ein Werkzeug, dass die Lernenden zum Trainieren des Hörverstehens nutzen können.
Dem Autor ist es sehr wichtig, hervorzuheben, dass diese Hilfsmittel und Strategien auch Muttersprachlern offenstehen und von ihnen genützt werden. Auch Deutschsprachige können sich die Schlüsselstelle auf einer DVD mehrmals anhören, einen Podcast mit Interessanten Informationen zum Mitschreiben stoppen oder die Kurzzusammenfassung der Nachrichten vor dem Hören lesen. Und sie tun es auch. Dass heisst, dass sich auch für Muttersprachler das Hören in vielen Situationen dem Lesen annähert (also weniger linear wird, weil man zurückdrehen kann) und dass dadurch für Lernende das Verstehen beim ersten Hören zwar immer noch in einigen Situationen notwendig ist, aber nicht mehr das dominierende Trainingsziel.
Viele der erwähnten Hilfsmittel und Einsatzszenarien sind wie gesagt nicht neu, herausheben möchte ich aber diese Ideen:
- Audio verlangsamen: zum Beispiel mit Audacity, Windows Media Player oder Quicktime die Geschwindigkeit drosseln. Bei Audacity geht das ohne Tonhöhenverlust (Effekte -Tempo ändern – Pozentzahl mit Minuszeichen eingeben). Bei einer 20% Verlangsamung sind die Resultate ziemlich gut, bei 30% noch ok und bei 50% schon etwas bizarr. Die Qualität leidet aber immer ein bisschen, denn Kürzungen und Assilimisationen, wie sie für zügiges, flüssiges Sprechen üblich sind, verschwinden in der verlangsamten Version natürlich nicht und bei der verlangsamten Version fällt das dann eher auf. Hört euch am besten mal die Beispiele an (erster Satz des Deutsche-Welle-Beitrages vom 8. Jan.): 20 Prozent, 30 Prozent, 50 Prozent verlangsamt.
- Untertitel in Ausgangs- oder Zielsprache (ausführlich oder als zusammenfassende Glossen), die auch selber erstellt werden können: Zu diesem Punkt erwähnt Robin opensubtitles.com. Ich kenne das Angebot noch nicht, muss es mir aber noch anschauen. Falls jemand von euch ähnliche Angebote kennt, bei denen man Onlinevideos untertiteln (oder untertiteln lassen) kann, wäre ich um Tipps und Hinweise froh.
- Transkription mit automatischer Übersetzung übersetzen lassen: Dieser Vorschlag hat mich echt überrascht. Ich habe Computerlingusistik studiert und ich weiss, dass die frei erhältlichen Übersetzungstools nicht dem Stand der Kunst entsprechen. Im Unterricht fand ich sie bisher eher ärgerlich, weil hin- und wieder ein besonders schlauer Schüler auf die Idee kommt, einen Text in seiner Muttersprache zu schreiben, „übersetzen“ zu lassen und mir dann abzugeben. Andererseits benutze ich solche Angebote selbst, und zwar dann, wenn ich wissen will, was z.B. auf einer russischen Seite zu einer meiner Seiten steht. Auch wenn die Übersetzung schlecht und weit weg von einer guten Überstetzung ist, so hilft sie mir doch, wesentlich mehr zu verstehen, als ich ohne dieses Tool je könnte, da mein Russischwortschatz weniger als 10 Worte umfasst. Dank der rudimentären Übersetzung kann ich zumindest auf das Thema schliessen und weiss z.B. ob der Kommentar negativ oder positiv ausfällt. Robins Vorschlag geht genau in diese Richtung. Lernende arbeiten mit einem Hörtext, zu dem eine Transkription existiert (z.B. deutsche Welle). Sie versuchen, wie sie es hoffentlich im Unterricht gelernt haben, das Thema zu erkennen, vielleicht Daten und Namen zu notieren etc. Anschliessend lassen sie die Transkription von einem Übersetzungstool übersetzen und vergleichen sie mit ihren Notizen. Alternativ könnten sie diese Übersetzung auch zur Vorentlastung des Hörens einsetzen.
Im Unterricht müssten die Lernenen lernen, was sie von so einer Übersetzung erwarten können und was nicht und sie müssten üben, ihre Hypothesen zu prüfen. Der Vorteil wäre, dass Lernende selbständig, mit echten Texten arbeiten könnten und das schon sehr früh (Fortgeschrittenen hilft diese krude Übersetzung wenig). Auch das werde ich mal mit einer Klasse erproben.
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2 Kommentare
1. MMF 2. MODUL 1, AUFGABE 2&hellip | 14. April 2008 um 19:40
[…] zu trainieren, authentische Materialien vorzuentlasten und Hörstrategien einzusetzen, siehe: http://cornelia.siteware.ch/blog/wordpress/2008/01/09/horverstehen-mit-technik . Das Führen eines Arbeitstagebuches sowie die Evaluation der Lernprozesse in den […]
2. Rike | 26. Juli 2010 um 15:58
Liebe Cornelia,
beim Stöbern rund um Hörverstehen bin ich – wieder einmal 😉 – bei dir gelandet und bei diesem Artikel.
Natürlich habe ich mir gleich den Link zu opensubtitles.com angesehen, ihn aber nicht sehr aufschlussreich gefunden. Dann habe ich weiter gesucht und bin bei subtitle workshop gelandet (siehe http://www.netzwelt.de/download/3190-subtitle-workshop.html), einem Programm, das tatsächlich gut geeignet für die Bearbeitung von Videosequenzen durch eigenes Erstellen von Untertiteln durch die Lerner scheint.
Viel Spaß beim Ausprobieren und
Liebe Grüße,
Rike