Nationalfeiertag

1. August 2005

Die moderne Schweiz wurde 1848 gegründet. Der Nationalfeiertag am ersten August erinnert aber nicht an dieses Datum, sondern an den so genannten Rütlischwur von 1291. Es existiert eine Urkunde, nach der im August 1291 die drei Orte Uri, Schwyz und Unterwalden einen Bund geschlossen haben. Der Legende nach geschah das auf dem Rütli, einer Wiese beim Vierwaldstättersee. Bekannt wurde der Rütlischwur vor allem durch Schillers Drama Willhelm Tell (geschrieben 1804, kurz nach der französischen Revolution). Die entsprechenden Verse lauten:

Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern,
in keiner Not uns trennen und Gefahr.
Wir wollen frei sein, wie die Väter waren,
eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.
Wir wollen trauen auf den höchsten Gott
und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.

In Schillers Drama erschiesst die Hauptfigur Willhelm Tell den Landvogt Gessler. Gessler ist Vertreter der Habsburger, zu deren Einflussbereich damals Teile der heutigen Schweiz gehörten. Er befiehlt in Altdorf (Hauptstadt des Kantons Uri) eine Stange mit einem Hut aufzustellen. Jeder, der über den Platz geht, soll den Hut grüssen, als ob es Gessler selbst wäre. Wilhelm Tell und sein Sohn Walter tun dies nicht und werden deshalb verhaftet. Gessler befiehlt Tell, seinem Sohn mit der Armbrust einen Apfel vom Kopf zu schiessen. Tell weigert sich erst, versucht es dann aber doch und ist erfolgreich. Tell hatte aber auch eine zweiten Pfeil bereit gehalten. Schliesslich gibt er zu, dass er damit Gessler erschossen hätte, wenn er seinen Sohn getroffen hätte. Darauf will Gessler Tell lebenslänglich einsperren. Während dem Transport zum Gefängnis kann Tell aber fliehen. Bei einem Engpass (der hohlen Gasse) wartet Tell auf Gessler und erschiesst ihn. Diese Tat ist ein Signal zum Widerstand und die Habsburger werden verjagt.

So weit das Drama. Historisch lässt sich Willhelm Tell nicht belegen. Die Sage vom Apfelschuss kommt auch in persischen, dänischen, norwegischen und isländischen Heldensage vor. In der Schweiz taucht Wilhlem Tell erstmals in Chroniken des 15. Jahrhundersts auf.
Bis ins 19. Jahrhundert galt der 8. November 1307 als Gründungsdatum der Schweiz. Der erste August wurde im 19. Jahrhundert als Nationalfeiertag festgelegt. Seit 1994 ist der Tag arbeitsfrei. Viele Leute schmücken ihre Häuser mit Schweizer- und Kantonsfahnen. In den Gemeinden finden Feiern statt. Eine bekannte Person hält eine Rede und die Musikvereine spielen. Zu einer Erst-August-Feier gehört auch das Singen der Landeshymne, auch wenn sie kaum noch jemand auswendig kann. Die Rede des Bundespräsidenten wird jedes Jahr im Fernsehen übertragen. Am Abend gibt es oft Umzüge mit Lampions (das sind bunte Papierlaternen) und Fackeln. In vielen Gemeinden läuten während einer Viertelstunde alle Kirchglocken. Die Leute brennen Feuerwerk ab. Einige Städte haben auch eigene, grosse Feuerwerke. Oft gibt es auch ein Erst-August-Feuer. Besonders bekannt und schön anzusehen sind die Höhenfeuer, die auf Hügeln und Bergen entzündet werden. Sie sollen an den Kampf um die Freiheit erinnern.

Die Gründungsgeschichte der Schweiz ist zu einem grossen Teil Fiktion. Trotzdem ist sie immer noch ein wichtiger Bestandteil der Schweizer Kultur. Vor allem Tell ist fast überall anzutreffen. Zum Beispiel ist er auf der Rückseite der 5-Franken-Stücke abgebildet. Es gibt ein Tellmuseum, in Interlaken gibt es jedes Jahr Tellfestspiele und die Armbrust ist ein Markenzeichen für Schweizer Produkte. Auch in der Literatur und der Kunst kommt er häufig vor. Sehr bekannt ist zum Beispiel ein Lied von Mani Matter, einem Mundartliedermacher. Der bekannte Schweizer Schriftsteller Max Frisch hat die Parodie Wilhelm Tell für die Schule geschrieben.

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2 Kommentare

  • 1. Cornelia  |  3. August 2005 um 22:27

    Der Nationalfeiertag ist nicht nur pure Idylle. Auch dieses Jahr wurde die traditionelle Bundesfeier auf dem Rütli durch Rechtsextreme gestört. Siehe dazu den Tagesschaubeitrag vom 1. August oder den Rundschaubeitrag von heute.

  • 2. Cornelia  |  5. August 2005 um 18:41

    Das Wilhelm Tell von Schiller wurde von einer achten Klasse des Theodor-Heuss-Gymnasiums Mühlacker in einen Fotoroman umgesetzt. Es lohnt sich!


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SPRACHLICH: Dies, DaF, ecetera. Für Lernende (Aussprache, Grammatik, Hörverstehen und mehr) und Lehrende.
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