„Extensive Listening“ für DaF und DaZ

22. Juni 2014

Der englische Titel dieses Beitrags ist kein Unfall, sondern zwar notgedrungen aber bewusst gewählt, den für den Sachverhalt, den er beschreibt, ist mir kein deutscher Terminus eingefallen. Zwar gibt es den Ausdruck „extensives Hören“, das in der Regel mit dem globalen Hören gleichgesetzt wird (z.B. in der Fernstudieneinheit „Fertigkeit Hören“ von B. Dahlhaus), und dieser Aspekt ist in „extensive listening“ enthalten, aber analog zu „extensive reading“ ist damit auch gemeint, dass man

  • viele Hörtexte hört, die man nahezu vollständig verstehen kann (98-100%),
  •  keine Verständnisfragen beantworten muss, die den Hörverstehensprozess steuern,
  • bewusstes Grammatik- und Wortschatzlernen nicht im Zentrum stehen, sondern das Verstehen der Textaussage als Ganzes
  • um dadurch den „Lesewortschatz“ zu einem „Hörwortschatz“ zu machen und die „fluency“ beim Hören zu erhöhen, also die Hörprozesse zu automatisieren.

Eine Beschreibung auf englisch findet ihr zum Beispiel hier: www.er-central.com/contributors/learn-about-extensive-reading-and-listening/what-is-extensive-listening/

Damit „extensive listening“ stattfinden kann, ist die Voraussetzung, dass die Lernenden Texte hören können, die für sie einfach sind und die sie (zumindest einigermassen) interessieren.  P. Nation schlägt zum Beispiel vor, über einen längeren Zeitraum eine Geschichte in 10- bis 15-Minuten-Portionen vorzulesen und diese an das Niveau der Lernenden anzupassen, indem man zum Beispiel das Tempo kontrolliert, wenn nötig Sätze wiederholt oder einzelne Wörter an die Tafel schreibt. Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto stärker sollten diese Unterstützungsmassnahmen abnehmen (Nation, I.S.P (2008): Teaching Vocabulary: Strategies and Techniques. Boston, S. 23).

Da zumindest meine Klassen gerade was das Hörverstehen betrifft meistens sehr heterogen sind (und die Interessen natürlich ebenso), wäre es vermutlich sinnvoller, „extensive listening“ über ein Projekt zu integrieren. Die Lernenden könnten zum Beispiel ein Hörbuch wählen, das ihrem Niveau entspricht, und dazu ein Hörprotokoll führen und/oder in der Klasse einen mündlichen Bericht abgeben, in dem sie für die anderen kurz beschreiben, um was es geht und ob ihnen das Hörbuch gefallen hat oder nicht. Das Minimum wäre aber meiner Meinung nach, den Lernenden Hilfestellungen zu geben, solche Materialien selber zu finden und dann selbständig zu nutzen.

Für einmal konzentriere ich mich deshalb in diesem Beitrag auf kostenpflichtiges Material, dass man zumindest im deutschsprachigen Raum aber auch in Bibliotheken finden können sollte. Ich liste euch hier einige Hörbuch-Reihen für DaF auf, die sich

  • an erwachsene Lerner (ab 16 Jahren) richten
  • unter anderem die Niveaus A1/A2 abdecken, da es auf diesen Stufen am schwierigsten ist, geeignetes Material zu finden

Vollständigkeit kann ich keine garantieren und da ich nicht alle Reihen gleich gut kenne, sind die Kommentare unterschiedlich detailliert.

Die Auswahl ist, wie ihr seht, ziemlich krimilastig. Was leider ganz fehlt, ist eine Reihe mit Biographien, wie sie zum Beispiel der Verlag Difusion für Spanisch (z.B. perfiles pop oder grandes personajes) anbietet. Cideb hat immerhin ein Hörbuch zu Einstein und eins zu Mozart, aber damit hat es sich, so weit ich weiss.

Informationen dazu, wie die verschiedenen Reihen den Wortschatz auswählen und kontrollieren, habe ich keine gefunden. Ich gehe mal davon aus, dass jede Reihe ihre eigenen Kriterien dafür hat. Bei Cideb findet man eine Aufzählung von grammatischen Strukturen, die in den jeweiligen Niveaus zugelassen sind. Der Schwierigkeitsgrad der einzelnen Reihen unterscheidet sich stark. Die Cideb-Bücher sind, obwohl auch für A1 ausgezeichnet, deutlich schwieriger und länger als andere, aber gemäss Rückmeldungen von Lernenden auch interessanter. Um ein für sie passendes Hörbuch zu finden, sollten die Lernenden also die Möglichkeit haben, sich einzuhören (oder notfalls einzulesen), um so selber festzustellen, ob das Buch etwa ihrem Niveau verspricht und sie den Text spannend bzw. interessant genug finden. Ziel soll es aber sein, dass sie nicht viele Wörter nachschlagen müssen und so auch üben können, die wenigen Wörter, die sie nicht verstehen, aus dem Kontext zu erschliessen.

Bisher habe ich Hörbücher nur als Zusatzmaterial empfohlen und bei vielen Lernenden kam der Vorschlag auch gut an. Insbesondere bei Lernenden aus dem asiatischen Raum sind Hörbücher beliebt, vielleicht, weil sie oft mehr Probleme beim Hören haben als andere Lernende und aktiv nach Möglichkeiten suchen, sich in diesem Bereich zu verbessern, vielleicht auch, weil sie ähnliche Verfahren bereits aus dem Englischunterricht kennen. Nächstes Jahr plane ich, einen Schritt weiterzugehen und ein Hörbuchprojekt (Protokoll führen und als Abschluss das Buch in Kleingruppen vorstellen) fest in einen A2-B1-Kurs zu integrieren. Hat jemand von euch schon Erfahrungen mit so einem Projekt gemacht?

Und zuletzt noch dies: Falls doch jemand einen deutschen Fachtbegriff für „extensive Listening“ kennt, fände ich es natürlich toll, wenn ihr mir den weiter sagt. 🙂

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1 Kommentar

  • 1. Cornelia  |  28. Juni 2014 um 05:10

    Anmerkungen zu den Biographien: Cideb hat auch noch Sophie Scholl (A2) und J. W. v. Goethe (B1) im Programm.


Linktipp

SPRACHLICH: Dies, DaF, ecetera. Für Lernende (Aussprache, Grammatik, Hörverstehen und mehr) und Lehrende.
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