Was ist der Unterschied zwischen b, b und b?
1. November 2010
Eine spanischsprachige Lernende hat mich gefragt, was der Unterschied zwischen „b, b und b“ sei, nach dem Sie mir die Abkürzung SVP (Schweizerische Volkspartei) diktiert und ich SBB (Schweizerische Bundesbahnen) aufgeschrieben hatte.
Bei der Frage geht es um die Unterschiede zwischen den Phonemen /b/, /p/ und /v/. Der Begriff Phonem bezeichnet Lautvarianten, die man einer Gruppe zuordnet, weil sie in dieser Sprache nicht bedeutungsunterscheidend sind. Man kann sie also innerhalb eines Wortes austauschen, ohne dass sie die Bedeutung eines Wortes verändern. Ein typisches Beispiel für das Deutsche ist das Phonem /r/. Es ist egal, ob man das R rollt, gurgelt oder reibt. Die Bedeutung des Wortes „Rose“ ist immer dieselbe. Alle drei R-Varianten zählen also zum selben Phonem. Wenn ich hingegen ein L spreche, ändert sich auch die Bedeutung der Lautfolge (lose – Rose) . R und l gehören im Deutschen also zu verschiedenen Phonemen.
Die Zuordnung von Lauten zu Phonemen kann sich von Sprache zu Sprache unterscheiden und auch ob ein Laut Phonemstatus hat oder nicht, ist verschieden. Dass die Lernende aus meinem Kurs Mühe hatte, die verschiedenen Laute unterschiedlichen Phonemen zuzuordnen, liegt daran, dass die distinktiven (unterscheidenenden Merkmale) für spanisches und deutsches /b/ bzw. /p/ anderes gesetzt sind und /v/ überhaupt nicht vorkommt. (Dass der Alphabetname des Graphems v nicht „we“ sondern „vau“ ist und im Deutschen häufig für das Phonem /f/ steht, hat zwar zusätzliche Verwirrung gestiftet, ist aber nicht Kern des Problems. Mehr dazu findet ihr hier). In diesem Beitrag erkläre ich den Unterschied zwischen deutschem /b/ und /p/. Das /v/ kommt später mal dran.
Unterschiede zwischen b und p
Die beiden Laute haben im Deutschen gemeinsam, dass sie unter Beteiligung der Lippen gebildet werden. /b/ und /p/ werden bilabial, also mit beiden Lippen – gebildet. Die Lippen liegen aufeinander und verschliessen den Mund. Wenn die ausströmende Luft diese Barriere sprengt, entsteht der Laut. Deshalb nennt man b und p auch Plosive oder Verschlusslaute.
Laut IPA steht [b] für einen stimmhaften, [p] für einen stimmlosen Laut. Bei [b] vibrieren also die Stimmlippen, bei [p] nicht. (Am besten merkt ihr das, wenn ihr euch die Fingerspitzen an den Hals legt.) Im Deutschen ist es jetzt aber so, dass ein vorhergehender Laut die Stimmhaftigkeit eines nachfolgenden Lautes beeinflussen kann. In der Fachsprache nennt man das progressive Stimmlosigkeitsassimilation (Krech et al., S. 77 / Rues et al. S. 36f.). Nehmen wir das Beispiel „die Bässe“ (Plural von Bass). In phonetischer Transkription ist das: [diːˈbɛsə]. Wenn wir nun stattdessen acht Bässe haben, steht direkt vor dem B ein stimmloser Laut und damit verliert das B seine Stimmhaftigkeit. Es wird entstimmt. Das kann man mit einem kleinen Kreis unter dem B anzeigen. Hier im Blog ist das leider nicht so einfach, deshalb das Ganze als Bild:
Ihr fragt euch jetzt vielleicht, warum man statt dem [b] mit Kreis nicht einfach ein [p] nimmt, das ja für einen stimmlosen Laut steht. Vergleicht mal die beiden Ausdrücke „acht Bässe“ und „acht Pässe“.
[audio:achtbaesse.mp3|titles=achtbaesse|artists=Cornelia Steinmann]
Obwohl [b] entstimmt ist (siehe Transkription oben) hört man noch immer den Unterschied zu [axtˈpʰɛsə]. Das liegt unter anderem daran, dass die Mundmuskulatur bei der Artikulation eines [p] stärker gespannt ist, als beim [b]. Deshalb ist auch die Explosion stärker und oft sind die p-Laute zusätzlich aspiriert, das heisst man hört nach [p] noch ein [h]. Wenn ihr euch eine Hand vor den Mund haltet, solltet ihr diesen Luftstoss spüren. Besonders stark ist die Aspiration am Anfang von akzentuierten Silben ( „Pä“ ist so ein Beispiel). Beim Transkribieren wird das Aspirationszeichen aber meistens weggelassen. In Wortlisten von Aussprachewörterbüchern findet ihr es also nicht. Die Aspiration ist aber typisch Deutsch. (Krech et al., 75f. / / Rues et al. S. 39).
Zusammenfassung
Das bedeutet jetzt also, dass [p] nie stimmhaft ist und [b] stimmhaft sein kann, aber nicht unbedingt muss. Stimmhaft ist es nur, wenn vorher ein stimmhafter Laut kommt (zum Beispiel ein Vokal oder [n], [m] etc.). Nach einem stimmlosen Laut (z.B. [t] [s] [k] oder [ç]) und auch wenn man nach einer Pause mit einem Wort mit B beginnt, ist es enstimmt. Schweizer, die Hochdeutsch sprechen, nehmen übrigens auch in stimmhafter Umgebung oft die enstimmte Version (Krech et al., S. 265).
Neben der Stimmhaftigkeit gibt es im Gegensatz zu anderen Sprachen noch andere Merkmale, die bei der Unterscheidung der Phoneme /b/ und /p/ ein Rolle spielen, also die Spannung der Mundmuskulatur und damit die Stärke der Explosion und die Aspiration ([p] kann aspiriert sein, muss aber nicht, [b] wird nicht aspiriert). Meine Studentin vom Anfang musste erst lernen, auf diese Merkmale zu achten, die anfangs durch ihren spanischmuttersprachigen Filter rutschten.
Die Literaturangaben findet ihr in meinem neuen Literaturverzeichnis.
Abgelegt unter: Aussprache,Für Lehrende,Theorie
1 Kommentar
1. Cornelia | 1. November 2010 um 08:00
Bei der Uni Bielefeld könnt ihr ein Beispiel hören, wie es klingt, wenn die Assimilation nicht progressiv sondern regressiv (also nach Hinten) durchgeführt wird:
http://www.uni-bielefeld.de/lili/studium/faecher/daf/personen/richter_julia/lehre/ausspracheschulung/fehlerbeispiele/segmentalia/assimilation.html (Beispiel zu [s] – [z], nicht zu [b] – [p]).