Wiki für Anfänger
13. März 2010
Wenn man mit E-Learning anfängt, sollte man weder sich selbst noch die Lernenden überfordern. Gesucht sind also ganz simple Aktivitäten, die im Idealfall auch noch von Schülern wie Lehrern als Mehrwert empfunden werden und weder viel Know-How noch Zeit voraussetzen. Ein solches Beispiel ist ein Wortschatzprotokoll im Wiki.
Das Problem
In meinem Anfängerunterricht schreibe ich oft Wörter an den Hellraumprojektor oder die Tafel, die sich aus dem Unterricht ergeben und in den Unterlagen fehlen. Da meine Handschrift keine Schönheitswettbewerbe gewinnt, ist die Chance, dass mal ein falsch geschriebenes Wort im Heft landet, relativ hoch. Zudem vergesse ich (allen guten Vorsätzen zum Trotz) dann halt doch mal den Artikel oder den Plural anzugeben und ich weiss nachher nicht mehr, welche Wörter ich ihnen erklärt habe. Das gezielte Wiederaufnehmen und Festigen von Wortschatz wird so verunmöglicht.
Die Lösung
In meinem Anfängerkurs bitte ich am Anfang jeder Stunde zwei Schüler, die Wörter, die sie in der Stunde aufschreiben, ins Wiki zu übertragen (Das Beispiel links ist aus der zweiten Stunde Deutsch). Die Wörter, die sie dort eingeben, korrigiere ich und ergänze sie wenn nötig mit Zusatzinformationen (zum Beispiel Artikel). Sobald ich das gemacht habe, schreibe ich mein Kürzel unter die Wörterliste. Damit ist für alle klar, dass die Wörter jetzt stimmen.
Im Prinzip könnte natürlich jeder weitere Wörter einfügen. Damit das ganze ins Rollen kommt, sind Protokollanten aber sehr wichtig.
Vorteile
Für die Schüler, die sich zur Verfügung stellen, hat das Wortschatzwiki den Vorteil, dass „ihre“ Liste korrigiert wird, die Klasse als Ganzes profitiert von der klassenrelevanten Wortschatzsammlung mit der sie ihre eigenen Notizen abgleichen können (ohne dass ich 20 Blätter mit den immer gleichen Wörtern korrigeren muss) und ich kann die Wörter gezielter wieder aufnehmen und festigen.
Wie das im Detail funktioniert
Wikis haben den Vorteil, dass man sie beliebig strukturieren kann. Für Einsteiger ist aber gerade das häufig ein Problem. Damit dann alles reibungslos klappt, gibt man die Struktur am bessten vor. In unserem Fall legt man am besten auf der Startseite Links für die einzelnen Stunden oder Themen an. So müssen die Lernenden nur noch auf den entsprechenden Link klicken und können gleich mit Schreiben anfangen. Sie klicken auf „Seite bearbeiten“ und los geht’s.
Ich lege zusätzlich immer noch eine Beispielseite an, die sich die Lernenden anschauen können. Wenn immer möglich, zeige ich das Wiki mit dem Beamer in der Klasse. So kann ich den Lernenden live zeigen, dass es wirklich keine Hexerei ist und sie müssen nicht rumsuchen und sich in unbekannte Gewässer begeben, sondern haben das Wiki schon mal gesehen. Das kostet nur 2-3 Minuten und erhöht die Chance, dass sie dann tatsächlich ins Wiki gehen beträchtlich.
Benötigte Ressourcen
Wikis sind in die meisten LMS (=learning management system) integriert. Moodle, Olat und Illias verfügen alle über Wikibausteine. Darüber hinaus gibt es aber auch von Lernplattformen unabhängige Wikis wie diejenigen von pbworks, die Zumwikis etc. Mit einem Wiki zu arbeiten ist also auch möglich, wenn die Schule keine eigene Plattform anbietet.
Der Zeitaufwand zum Korrigieren beträgt für mich pro Woche 10-15 Minuten. Für die Lernenden liegt der Zeitaufwand nach ihren Auskünften etwa gleich hoch.
Warum ein Wiki und kein Blog?
Ein Blog ginge natürlich auch.Wikis ziehe ich aber immer dann vor, wenn eine Gruppe gemeinsam auf ein Endprodukt hinarbeitet. Bei einem Blog sind die Formatierungsmöglichkeiten oft etwas besser, ein Wiki kann man meiner Meinung nach aber übersichtlicher organisieren (allerdings muss man es tun, siehe oben).
Bei einem Wiki kann man zudem immer nachvollziehen, wer was geändert hat und kann im Notfall eine ältere Artikelversion zurückholen.
Andere Wiki-Ideen für den Sprachunterricht
Natürlich kann man die simple Wortschatzliste aus meinem Beispiel auch mit Beispielsätzen etc. erweitern oder kann die Lernenden ein Stundenprotokoll schreiben lassen.
Wer Lust auf ein anspruchsvolleres Projekt hat, kann zum Beispiel hier weiterlesen.
Abgelegt unter: E-Learning / neue Medien,Für Lehrende,Unterrichtsidee,Wortschatz
11 Kommentare
1. Eva | 14. März 2010 um 06:50
Danke, Cornelia! Mal wieder ein Beitrag, der sehr praktisch orientiert relevante technische und didaktische Infos verbreitet.
Gruß von Eva, die gerade von einem COSMAS II-Workshop des IDS (Institut für Deutsche Sprache Mannheim) zurückkommt. Es war klasse! Ein französischer Bericht von mir dazu wird demnächst auf der Internetseite AEM (Autoformation et Multimédias) veröffentlicht (siehe http://didatic.net/ ).
2. Cornelia | 17. März 2010 um 06:56
Liebe Eva.
Vielen Dank! Ich werde von Zeit zu Zeit auf der Seite vorbeischauen und sehen, ob ich den Bericht finde.
3. Cornelia | 17. März 2010 um 06:57
Ein Beispiel aus einem höheren Niveau (B1):
Der Lernende hat Beispielsätze aus Texten gesammelt, die er gelesen hat.
4. Eva Lacroix | 19. März 2010 um 07:48
Liebe Cornelia,
hier ist der Bericht: http://didatic.net/article.php3?id_article=221
Bis dann, herzliche Grüße von Eva.
5. Cornelia | 22. März 2010 um 11:13
Danke! Das war sicher sehr interessant. Wenn ich mal Zeit habe, schaue ich mir mal die einzelnen Berichte genauer an.
Cornelia
6. Ralf | 23. März 2010 um 21:57
Liebe Cornelia,
ich hatte schon lange vor, auf deinen wunderbaren Beitrag zu antworten. Mir gefällt sehr gut, wie du die Arbeit im Wiki mit deinen Schülern organisierst. Ausgezeichnet deine Idee, die Wortliste mit deinem „Kürzel“ zu bestätigen. Die Lerner erhalten dadurch mehr Sicherheit und Motivation. Darauf werde ich unbedingt bei meiner Arbeit im Wiki achten. Interessant wäre an dieser Stelle auszuprobieren, ob es nicht sinnvoll wäre, die erarbeitete Lexik in kleinen Übungen zu festigen, die die Lerner selbst im Wiki erstellen. Ich nutze dazu auch das Wiki. Im Blog habe ich es ausführlich beschrieben: http://landeskunde.wordpress.com/2009/12/16/schuler-erstellen-test-ubungen-im-wiki/
Wenn du möchtest, kannst du es im DSD-Wiki oder ZUM-Wiki ausprobieren. Melde deine Schüler dort an und sie könnten hier einfache Übungen produzieren, die sie (oder du) auf einer gemeinsamen Übungsseite sammeln (sammelst). Diese könnten sie zusammen oder allein zum Üben nutzen. Hier ein Beispiel einer 9. Klasse (A1/A2 Niveau) http://wikis.zum.de/dsd/index.php/9A-09/10/Quiz-%C3%9Cbungen1
7. Cornelia | 25. März 2010 um 08:15
LIeber Ralf
Danke für die Blumen!
Das Erstellen von Übungen finde ich eine super Idee. Leider geht das im Olat-Wiki nicht und das ist die Plattform, die wir hauptsächlich verwenden.
Das Zum-Wiki wollte ich schon lange mal genauer ansehen. Wenn ich wiedermal ein Projekt nur mit einem Wiki mache, könnte ich es ja mal mit einem Zum-Wiki probieren. Darf ich dich dann bei Gelegenheit fragen, wie ich zu einem Zugang komme?
8. Ralf | 25. März 2010 um 16:25
Lieber Cornelia,
ja es wäre schön, wenn du ein Projekt mit einem oder dem ZUM-Wiki machen würdest. Ein eigenes Wiki in der ZUM-Family lohnt sich aber nur, wenn das Projekt längerfristig angelegt ist (Z.B. Schulwiki, Wiki für Uni-Projekte oder das DSD-Wiki zu einer Prüfung usw.) . Die Kriterien für ein eigenes Wiki findest du hier: http://wiki.zum.de/ZUM-Wiki:Wiki-Family#Bedingungen_und_Kriterien_f.C3.BCr_die_Aufnahme_in_die_Wiki-Family
Du müsstest also dein Projekt vorstellen und ZUM entscheidet dann.
Einfacher geht es aber mit dem Wiki im Wiki. Dazu nutzt du deine Benutzerseite oder legst eine Extraseite an. Von dieser Seite aus erstellst du die Unterseiten mit folgendem Befehl: Vor jeder Seite, die du anlegst, schreibst du ein „Slash“ – „/“.
Beispiel: /Gruppe 1
Danach kommen die obligatorischen Klammern [[/Gruppe 1]]. Jetzt ist deine Benutzerseite auch deine Hauptseite und alle von dir so erstellten Unterseiten beziehen sich darauf.
Im DSD-Wiki habe ich etwas für dich vorbereitet. Da kannst du es dir einfach anschauen, selbst nutzen und wenn du willst, kann ich es auch wieder löschen:
http://wikis.zum.de/dsd/index.php/DaF-Blog-Wiki
Die Seiten, die du entwickeln können auch mit einem Logo gekennzeichnet werden.
Probiere doch einfach die Testaufgaben im Wiki aus.
Viele Grüße aus Budapest
Ralf
Gruß
Ralf
9. Agni | 19. November 2012 um 09:37
Hallo Cornelia,
Ich möchte gerne einen Ort kreiiren, wo ich für alle meine SchülerInnen in den diversen Institutionen schulunabhängig diverse Infos zu kulturellen Veranstaltungen (evtl auch mehr) zur Verfügung stelle.
Meine Frage ist, würdest du ein Wiki oder ein Blog dafür verwenden? Es soll für alle zugänglich sein, aber nicht bearbeitbar, zudem muss der Aufwand für mich insgesamt klein sein. Ich möchte auch keine Kommentare haben (sie bedeuten Mehraufwand für mich).
Bei wordpress habe ich bereits einen account; mir scheint aber das Format nicht sehr geeignet. Das Wiki ist aber etwas beschränkt in seinen Möglichkeiten, besonders wenn man es gratis haben möchte. Ideal wäre ein offenes Wiki im Moodle, leider kenne ich keine Institution, die so etwas bietet…
Danke für deine Antwort im Voraus und herzliche Grüsse,
Agni
10. Cornelia | 19. November 2012 um 22:15
Ein Blog finde ich besser für chronologisch geordnete Informationen. Für Veranstaltungshinweise, die mit der Zeit ja nicht mehr interessant sind, ist ein Blog gut. Wenn es Informationen sind, die länger Gültigkeit haben, ist ein Wiki in der Regel gut geeignet. Allerdings kann man Blogs heute auch eher wie Webseiten organisieren (wie zum Beispiel dieses hier: http://cornelia.siteware.ch/cms/) ob WordPress.com diese Funktion auch anbietet, weiss ich allerdings nicht. Viele Wikis haben keine Kommentarfunktion, bei Blogs kann man sie in der Regel ausschalten. Generell hast du mehr Rechte bezw. Gestaltungsmöglichkeiten, wenn du dein Blog selber hostest oder hosten lässt, allerdings fallen dann Gebühren für das Webhosting und evtl. auch für den Support an. (Meine Blogs sind selbstgehostet).
Die Wikis von pbworks waren früher sehr praktisch und für schulische Zwecke gratis: http://pbworks.com/. Allerdings habe ich auch schon länger nicht mehr damit gearbeitet. So ein Standalone-Wiki kann deutlich mehr als ein Wiki wie in OLAT oder Moodle und lässt sich stärker gestalten. Bei pbworks konntest du früher einstellen, ob die Leserechte ganz öffentlich sind, oder ob man auch zum Lesen ein Passwort braucht. Auch die Schreibrechte sind durch Passwort sperr- oder freigebbar.
Wenn es nur um wenig Informationen geht, die alle auf eine Seite passen, könntest du evtl. auch google-drive verwenden. Dort kannst du einzlne Dokumente (nur zum Lesen oder auch zum Schreiben) freischalten. Du kriegst dann keine Sprechende URL, sondern nur eine mit vielen Zahlen, so dass man sie am besten woanders postet oder ihn per Mail verschickt. Dafür wird die Seite auch nicht so schnell gefunden, sonder nur für die zugänglich, die den Link haben.
Hilft dir das was?
Liebe Grüsse
Cornelia
11. Agni | 23. November 2012 um 16:23
Ja, vielen Dank; ich werde beide Möglichkeiten genau anschauen.
Herzlich,
Agni