Akzentsilbe als Schlüssel
4. November 2009
Ein zentraler Schlüssel zu einer gut verständlichen Aussprache ist meiner Meinung nach der Wort und Satzakzent. Sie lenken unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte Stellen im Sprachstrom und helfen uns, Informationen herauszufiltern, denn es sind auch die Silben, die man am verlässlichsten versteht, weil sie lauter und etwas länger gesprochen werden als die Silben in der Umgebung. Wenn diese Signale falsch gesetzt sind, muss man sehr viel konzentrierter zuhören.
Umgekehrt ist es dann aber auch für die Lernenden wichtig, diese Signale zu nutzen, eben weil sie die zuverlässigsten Inseln im Input darstellen. John Field hat in seinem Buch „Listening in the language classroom“ (Cambridge 2008) einen Vorschlag gemacht, wie man die Aufmerksamkeit der Lernenden unter dem Aspekt des Hörverstehens auf die Akzentsilbe lenken kann.
Er schlägt vor, nur die Akzentsilbe zu Sprechen (zum Beispiel zwan) und die Lernenden raten zu lassen, wie das ganze Wort heisst. Die Schrift wird bei dieser Übungsform für einmal also ganz aussen vorgelassen.
Natürlich hat man normalerweise mehr Kontext als eine Silbe und deshalb sind für diesen sehr isolierten Übungstyp nicht alle Wörter gleich geeignet. Ich habe das gestern mit einer A1.1 Klasse und folgenden Wörtern gemacht:
- zwan(zig)
- pün(ktlich)
- hun(dert)
- bü(geln)
- pu(tzen)
- (ge)nau
- (wa)rum
- (wo)hin
- (en)tschul(digung)
- (Konfe)renz
Ich habe jeweils gesagt ob es um eine erste Silbe geht oder nicht. Die Klasse als ganzes war sehr gut und auch zwei von denen, die sich mit dem Hören eher schwertun, haben Wörter rausgefunden. Probleme hatten alle mit dem Wort bügeln, das zwar in der Lernliste gestanden hatte, aber das sie offensichtlich noch nicht gelernt hatten und deshalb als ganzes Wort nicht nicht kannten.
Beim Aussprechen der Wörter ist wichtig, dass man die Akzentsilben tatsächlich so spricht, wie man sie auch im Wort sprechen würde. Bei [tswan] ist der Verschluss zum t (von [tsiç] oder [tsik] also schon da und auch die Länge der Silbe sollte so sein, wie wenn man das ganze Wort sagen würde.
Ob die Übung nun tatsächlich einen positiven Einfluss auf das Dekodieren beim Hören hat, kann ich mit diesem einen Versuch natürlich nicht nachweisen. Die Übung hat aber auf jeden Fall den Vorteil, dass sie in Erinnerung ruft, dass im Deutschen einige Silben deutlicher und lauter gesprochen werden als andere und dass sie Wortschatz nur über die lautliche Form (statt wie oft üblich schriftgestützt) ins Gedächtnis ruft. Zudem ist sie ziemlich schnell gemacht und lässt sich auch mal als Lückenfüller einsetzten.
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2 Kommentare
1. Agni | 8. November 2009 um 16:19
Wieder ein interessanter Tipp, danke, Cornelia!
Die Aussprache spielt eine sehr wichtige Rolle für das Hörverständnis; wenn die TN die Aussprache falsch lernen, verstehen sie das Wort auch nicht, wenn sie es hören.
Eine Frage: Hast du diese Übung in Zusammenhang mit der richtigen Bedeutung der Wörter gemacht? Das heisst, nachdem die TN „bügeln“ erraten hatten, hast du auch gefragt, was das heisst?
Weitere Frage: Hast du diese Übung mit mehreren Wörtern probiert, die als ein Wort ausgesprochen werden sollten? Wahrscheinlich nicht, denn auf deutsch kommt es vermutlich nicht so häufig vor, dass Wörtergruppen wie ein Wort behandelt werden.
2. Cornelia | 8. November 2009 um 20:01
Ich habe nachher gefragt, was das Wort heisst, aber das war bei dieser Übung mehr ein Sekundäreffekt.
Im Deutschen ist es so, dass mehrere Wörter zu einer Wortgruppe zusammengezogen werden. Da gibt es dann eigentlich nur einen Akzent und die anderen Silben werden reduziert gesprochen. Übungen dazu mache ich auch, aber in dieser Übungsform wäre eine ganze Wortgruppe sehr schwer zu erraten, da die Kombinationsmöglichkeiten ja eigentlich unendlich sind. Deshalb eignen sich übrigens auch Komposita nicht für diesen Übungstyp.