DaF-Buch-Aktion
26. April 2009
Ich wurde letzte Woche gebeten, über eine Buchaktion zu schreiben. Der Achtung-Verlag verschenkt bis am 30. April insgesamt 25’000 Exemplare eines neuen Lehrmittels namens „Achtung Deutsch A1“. Die Hörtexte dazu sollen nach Erscheinen des Lehrbuches (im August 2009) auf der Webseite verfügbar sein, ebenfalls wird Zusatzmaterial in Aussicht gestellt.
Dieses Geschenk wird mit Werbung finanziert. Zwischen den einzelnen Kapiteln können Sprachschulen und andere Interessierte Werbeanzeigen schalten. Den potentiellen Werbekunden wird versprochen, dass die Werbung im Lehrmittel länger wirke als z.B. in Zeitungen (ich werde morgen nicht weggeworfen) und dass die im Lehrmittel plazierte Werbung nicht nur den Lernenden selbst, sondern auch sein Umfeld erreiche. Das Lehrmittel ist also nicht wirklich gratis, sondern die Kosten werden anders aufgebraucht als herkömmlich, gegen alternative Finanzierungsmodelle ist aber nichts einzuwenden.
Konzept
Nach Aussage des Verlags geht das Team von Achtung Deutsch „aufgeschlossen, kreativ und unkonventionell an die Problemstellungen des Fremdsprachenunterrichts heran und bietet neue, moderne und wissenschaftlich fundierte Lösungswege.“ Weiter heisst es an anderer Stelle, dass das Lehrwerk nach den Richtlinien des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (GER) erstellt worden sei.
All das klingt sehr gut und hat mich neugierig gemacht. Auf der Webseite des Verlages gibt es einen virtuellen Vorabdruck zum Anschauen. Im Folgenden findet ihr meine (subjektiv geprägte) Analyse davon:
formale Beschreibung:
- 12 Kapitel auf 288 Seiten im Vierfarbendruck
- ins Kursbuch integrierte Übungen mit Lösungsschlüssel am Schluss
- Auszeichnung der einzelnen Teile: Grammatik und Redemittel sind in farbigen Kästen hervogehoben, ausgezeichnet werden zudem Hör- und Lesetexte, Aktivitäten zum Sprechen und Schreiben und Übungen. Grammatikübungen werden speziell gekennzeichnet.
- Am Ende jeder Lektion gibt es ein Vokabelglossar und eine Liste der behandelten Redemittel.
- Eine Grammatikübersicht (inkl. Liste unregelmässiger Verben) findet man am Ende des Buches
Kritik
Die Themen decken sich mit denen der meisten Anfängerlehrwerke und denjenigen Themenbereichen, die man aus den Kann-Deskriptoren des Referenzrahmens ablesen kann. Auch die Grammatik entspricht dem, was auf dem Niveau A1 üblicherweise vermitelt wird und bei der Progression legt sich – soweit ich mich erinnere – auch Profile Deutsch nicht fest und es sind verschiedene Abfolgen denkbar. Die starke Betonung von Redemitteln passt gut zum Nivau A1, wo noch viel über Chunks und Routinen läuft.
Im folgenden schaue ich ein paar Punkte, die mir beim Erstellen und Auswählen von Lernmaterialien wichtig sind, etwas genauer an.
- Aussprache: Übungen zur Aussprache (sowohl auf Laut- als auch auf Wort und Satzebene) und Aussprachehilfen (zum Beispiel Akzentmarkierungen im Vokabelglossar) fehlen ganz. Dies steht im Gegensatz von so gut wie allen neueren anderen Lehrwerken und ist für mich ein grosses Manko.
- Orientierung am Referenzrahmen
- Handlungsorientierientierung und kommunikative Aufgaben: Ich habe oft das Gefühl, dass der Referenzrahmen mit den Kann-Deskriptoren gleichgesetzt wird, aber dahinter steckt noch viel mehr. Zum Beispiel ist der Referenzrahmen einem handlungsorientierten Ansatz verpflichtet. Dabei sind kommunikative Aufgaben sehr wichtig. Bei einer kommunikativen Aufgabe steht am Ende immer ein Ergebnis oder Ziel, das die Lernenden erreichen wollen. Dabei setzen sie die ihnen zur Verfügung stehenden Strategien und Wissensbestände gezielt ein. Diese Strategien müssen nicht immer sprachlicher Natur sein, das ist ja auch im realen Leben nicht so. In der Bäckerei kann man ja auch einfach auf das Brötchen zeigen, dass man möchte, man kann zusätzlich noch was dazu sagen (z.B. „Das da, bitte“) oder auch alles mündlich erledigen „Ich hätte gern ein helles Brötchen mit Sonnenblumenkernen). Dass es kommunikative Aufgaben nicht nur für mündliche Fertigkeiten sondern natürlich auf für schriftliche gibt und oft mehrere Fertigkeiten kombiniert werden, wird schnell klar, wenn man sich überlegt, was es alles für mögliche Ziele und Situationen gibt, die mit Sprachgebrauch verbunden sind: man möchte zum Beispiel Informationen über ein Thema bekommen (Zeitung lesen, fernsehen, Radio hören, Nachbarn fragen, im Lexikon nachschlagen), sich unterhalten lassen, jemanden über etwas informieren, etwas zum Essen kaufen, weil man Hunger hat etc.
Dialoge als einfache Rollenspiele sind sicher eine wichtige Form kommunikativer Aufgaben, aber sie sind nicht genug. Im vorliegend Lehrmittel gibt es mir zu wenige verschiedene Aufgabetypen: zum Beispiel fehlen Projekte (zum Beispiel zur Informationsbeschaffung oder zum interkulturellen Austausch) und überhaupt überwiegend eng gelenkte Übungen, die eher Wortschatz und Grammatik umwälzen als auf eine erfolgreiche Sprachhandlung ausgerichtet sind. Solche Übungen braucht es aber natürlich auch. - Authentisches Material: Kommunikative Aufgaben sollen sich möglichst an realen Sprachgebrauch orientieren und damit geht auch die Fordeurng nach authentischen (oder zu mindest semi-autentischen) Materialien einher. Das Angebot ist ausschliesslich semi-authentisch. Das finde ich sehr schade (wenn auch nachvollziebar). Dass authentische Materialien auch für Anfägner möglich sind, zeigt zum Beispiel das Lehrmittel Dimensionen. Wie mühsam die ganze Rechte-Geschichte ist, weiss ich allerdings auch.
- Lernerautonomie: Der Autonomiegedanke hat bei der Geburt des Referenzrahmens gleichsam Pate gestanden, da man das lebenslange Lernen mit dem Ziel der europäischen Mehrsprachigkeit fördern wollte. Im Unterricht kann das heissen, dass die Lernenden wissen wie und was sie mit einer Aufgabe oder Übung lernen, dass sie die Lerninhalte und Methoden mitbestimmen können und das über das Lernen und verschiedene Strategien reflektiert wird.
Im Lehrmittel fehlen mir aber wichtige Elemente, die die Autonomie der Lernenden fördern. Zum Beispiel gibt es keine Wahlangebote und die Lernziele werden für die Lernenden innerhalb der einzelnen Aufgaben eher nicht transparent. Auch die Aufgabenformulierung ist nicht immer ideal. In der ersten Lektion heisst es zum Beispiel in Übung neun: „Was gehört gross geschrieben“. Diese Formulierung finde ich für ein Anfängerlehrwerk unglücklich. Sie ist nicht hochfrequent und grammatisch komplex. Eine Formulierung wie „Was schreibt man gross?“ ist sehr viel durchschaubarer und bietet den Lernenden die Gelegenheit, das Verb schreiben in einem kommunikativen Kontext (jemand sagt mir, was ich machen soll) anzutreffen.
Ein Plus könnte hingegen sein, dass die Hörtexte über die Homepage heruntergeladen werden sollen. Es ist aber mir nicht ganz klar, ob das Passwort nur den Sprachschulen zur Verfügung stehen wird, oder ob es auch an die Lernenden weitergegeben werden darf. Denn dann könnten sie zuhause nachhören, was gerade für Leute mit Problemen im Bereich HV sehr gut wäre. Auch der Lösungsschlüssel ist unter dem Aspekt der Lernerautonomie positiv zu vermerken.
- Handlungsorientierientierung und kommunikative Aufgaben: Ich habe oft das Gefühl, dass der Referenzrahmen mit den Kann-Deskriptoren gleichgesetzt wird, aber dahinter steckt noch viel mehr. Zum Beispiel ist der Referenzrahmen einem handlungsorientierten Ansatz verpflichtet. Dabei sind kommunikative Aufgaben sehr wichtig. Bei einer kommunikativen Aufgabe steht am Ende immer ein Ergebnis oder Ziel, das die Lernenden erreichen wollen. Dabei setzen sie die ihnen zur Verfügung stehenden Strategien und Wissensbestände gezielt ein. Diese Strategien müssen nicht immer sprachlicher Natur sein, das ist ja auch im realen Leben nicht so. In der Bäckerei kann man ja auch einfach auf das Brötchen zeigen, dass man möchte, man kann zusätzlich noch was dazu sagen (z.B. „Das da, bitte“) oder auch alles mündlich erledigen „Ich hätte gern ein helles Brötchen mit Sonnenblumenkernen). Dass es kommunikative Aufgaben nicht nur für mündliche Fertigkeiten sondern natürlich auf für schriftliche gibt und oft mehrere Fertigkeiten kombiniert werden, wird schnell klar, wenn man sich überlegt, was es alles für mögliche Ziele und Situationen gibt, die mit Sprachgebrauch verbunden sind: man möchte zum Beispiel Informationen über ein Thema bekommen (Zeitung lesen, fernsehen, Radio hören, Nachbarn fragen, im Lexikon nachschlagen), sich unterhalten lassen, jemanden über etwas informieren, etwas zum Essen kaufen, weil man Hunger hat etc.
- Landeskunde und Plurizentrik: Laut Impressum richtet sich die Rechtschreibung nach Deutschland und Österreich. Das ist in Ordnung. Ein Hinweis auf die Hauptbesonderheit in der Schweiz (kein Eszett) wäre aber sinnvoll und wäre mir entgangen. Es kann sein, dass er irgendwo in den Landeskundeeinsprengseln (erkennbar durch die Flaggen der drei Länder) auftaucht. Die scheinen aber etwas unmotiviert im Lehrwerk verteilt (Berufe berühmter Deutscher im Kapitel einkaufen, Berufe berühmter Österreicher im Kapitel Freizeit).
Zu den einzelnen Varietäten findet man unterschiedliche Begrüssungen (Zuordnungsübung im Kapitel Wohnen) und in den Kapiteln Einkaufen und Strassenverher findet man einige Austriazismen.
Wie in den Lese- und Hörtexten mit landeskundlichen Elementen und den Varietäten umgegangen wird, habe ich nicht überprüft (gerade die Audios sind auch noch nicht verfügbar). In den Vokabelglossaren tauchen keine Hinweise auf die Varietäten auf.
Fazit
Viel von dem, was fehlt, kann eine gute und erfahrene Lehrperson selbst dazu ergänzen. Gerade für Einsteiger fehlt aber noch einiges, was andere Lehrwerke der letzten Jahre integriert hatten und bieten. Laut Verlagshomepage soll im Sommer 2009 aber auch das Onlineportal mit Zusatzmaterial aufgeschaltet werden. Je nachdem werden einige der Desiderata dann noch erfüllt. Es muss ja nicht alles im Kursbuch stehen. Völlig neue Lösungsansätze habe ich aber keine gesehen und habe somit auch keinen Grund, auf dieses Lehrmittel umzusteigen.
Ob jemand das Lehrmittel benützen will, muss jeder selbst entscheiden und da man die Onlineversion durchblättern kann, möchte ich alle ermutigen, sich selber eine Meinung zu bilden. Auch über Kommentare würde ich mich freuen. Ich finde aber auf jeden Fall, dass man auch geschenkten Gäulen ins Maul schauen soll.
Abgelegt unter: Forschung / Theorie / Didaktik,Für Lehrende
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