Diskussion mit Publikum

11. Juni 2008

Im Sprachunterricht ist es wichtig, dass die Lernenden auch mal länger einzeln zu Wort kommen. Auf diese Weise üben sie, mehr als nur 3 zusammenhängende Sätze auf Deutsch zu sprechen. Natürlich kann man das auch in Gruppenarbeit üben, aber das Bewusstsein, das auch vor Publikum, also gewissermassen öffentlich, geschafft zu haben, gibt Selbstvertrauen und das ist beim Sprechen einer Fremdsprache ganz wichtig. Wenn man einzelnen Schülern in der Klasse mehr Raum gibt, geht das allerdings auf Kosten der Sprechzeit anderer. Natürlich können diese auch vom Zuhören etwas lernen, aber das ist nicht allen klar. Deshalb ist es manchmal sinnvoll, den Zuhörenden ebenfalls Aufgaben zu geben.

Deshalb habe ich mich für folgende Übungsform entschieden:

  • Die Klasse wird in Kleingruppen eingeteilt :3 (notfalls 2 oder 4) Gruppen à 5 bis 6 Personen.
  • Jede Gruppe einigt sich auf ein Diskussionsthema von einer Liste oder darf selber ein Thema wählen.
  • Jede Gruppe einigt sich auf Rollen. In jeder Gruppe gibt es einen Moderator/Diskussionsleiter und wenn möglich gleich viele Pro- und Kontraleute.
  • Die Gruppen bereiten ihre Diskussion vor. Das heisst, sie suchen gemeinsam nach Argumenten (und damit auch nach dem benötigten Wortschatz), der Moderator überlegt sich gemeinsam mit der Gruppe, wie er die Diskussion eröffnen soll und falls noch Zeit bleibt, kann die Gruppe auch einen Probelauf starten.
  • Jetzt beginnt die Diskussionsphase: eine Gruppe setzt sich vor die Klasse (Expertenpodium). Der Moderator gibt eine ganz kurze Einfühurung und lässt dann die einzelnen Vertreter kurz zu Wort kommen. Kurz vor Ablauf der Zeit fasst er die wichtigsten Ergebnisse nochmals zusammen.
  • Während der Diskussion machen sich die anderen Gruppen nach gewissen Vorgaben Notizen, zum Beispiel notiert die Hälfte jeder Gruppe alle Pro-, die ander Hälfte alle Kontraargmumente.
  • Nach der Diskussion bekommt die diskutierende Gruppe direkt ein kurzes Feedback von mir. Die anderen Gruppen werten in dieser Zeit ihre Notizen aus und geben dann selber eine kurze Rückmeldung. Wenn Sie, wie oben beschrieben die Argumente notiert haben, kann die Rückmeldung zum Beispiel festhalten, welche Gruppe ihrer Meinung nach die besseren Argumente hatte.

Anmerkungen zur Durchführung:

  • Für die Vorbereitung (Ablauf der Übungsform, Gruppenbildung, Themenfindung, Rollenverteilung und Übungsphase rechne ich insgesamt 15 bis max. 25 Minuten. Die eigentliche Durchführung (Diskussionen und Feedbackrunden braucht nochmals 30 bis 45 Minuten).
  • Im Prinzip reicht es, wenn die Lernenden wissen, ob sie eine Pro- oder eine Kontraposition vertreten. Häufig ist es aber (auch bei erwachsenen Lernenden) sehr nützlich, wenn jede Person einen Namen und minimale biographische Informationen erhält. Das gibt der Diskussion mehr Kontext (ein Arzt hat eine ganz andere Sicht auf das Thema Abtreibung als ein Pfarrer oder eine junge Mutter) und macht es den Lernenden auch leichter, aus einer Perspektive zu diskutieren, die nicht ihre eigne ist. In diesem Fall gehört es zu den Aufgaben des Moderators dazu, am Anfang der Diskussion alle Beteiligten mit ihren Rollen kurz vorzustellen. Karten mit Namensschildern sind nützlich, aber nicht zwingend.
  • Ich lasse das Thema der Diskussion immer relativ frei, gebe zwar ein paar mögliche Themen vor, damit die Lernenden nicht bei Null anfangen müssen, akzeptiere aber auch Anpassungen am Thema oder ein völlig anderes Thema. Diese Diskussionen werden oft die besten. Wichtig ist nur, dass man den Lernenden eine klare Zeitlimite zur Themenfindung und einen Ausgangspunkt (eben zum Beispiel eine Themenliste) gibt und notfalls eingreift, damit nicht die anderen Gruppen warten müssen.
  • Damit ich zeitlich durchkomme, bin ich bei den Zeiten relativ streng. Ich sage den Gruppen vorher, wie lange sie diskutieren dürfen. Nach dieser Zeit wird abgebrochen, egal an welchem Punkt die Diskussion ist. Wenn man das vorher kommuniziert, wird das akzeptiert. Schliesslich wollen alle drankommen.

Nutzen der Übungsform:

  • Die einzelnen Lernenden sprechen viel: In der Vorbereitung, während ihrer eigenen Diskussion, bei der Vorbereitung der Auswertung und einzelne bei der Auswertung selbst.
  • Während der Diskussionen der anderen Gruppen, haben die anderen einen gezielten Hörauftrag und üben, Notizen zu machen oder versuchen zumindest, sich so viel wie möglich zu merken. Dadurch konzentrieren sich sich auch eher auf das Gesagte, statt an irgendwas anderes zu denken.
  • Dass die Lernenden selber Einfluss auf das Thema haben, hat meistens eine positive Wirkung. Das kann man noch verstärken, indem die Gruppen sich nach Interesse finden können. Man muss als Lehrperson aber darauf achten, dass die Gruppen einigermassen ausgeglichen sind.
  • Weil die Diskussionszeit beschränkt ist, kann man gut einzelne Aspekte anschauen, zum Beispiel Einsatz von Redemitteln, Überleitungen etc. Einzelne Aspekte kann man auch an die Zuhörer delegieren. Das lohnt sich vor allem dann, wenn man diese Aspekte vorher gezielt thematisiert hat.
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Linktipp

SPRACHLICH: Dies, DaF, ecetera. Für Lernende (Aussprache, Grammatik, Hörverstehen und mehr) und Lehrende.
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