Präsentieren im Messesystem
23. Februar 2008
Herkömmliche Vorträge haben einige Nachteile:
- Sie nehmen viel Zeit in Anspruch, weil jeder einzeln drankommt und die anderen zuhören müssen.
- Die Motivation des Publikums (und als Rückwirkung auch die der Vortragenden) ist dabei nicht immer sehr gross, vor allem dann nicht, wenn die Vortragenden ablesen, undeutlich sprechen oder Begriffe und Konzepte verwenden, die die Zuhörenden nicht verstehen oder ihnen nicht geläufig sind. Weil man während eines Vortrages schlecht nachfragen kann, werden die meisten dieser Verständnisprobleme nicht aufgelöst. Denn am Ende des Vortrages ist das meiste dann schon wieder vergessen.
- Sie sind als Übungsform für viele Lernende nicht relevant. Dass sie sich vor ein Publikum hinstellen und ohne unterbrochen zu werden einen 10-minütigen Monolog halten, kommt bei vielen im Alltag gar nie vor.
Trotz dieser Nachteile ist es sinnvoll, dass Lernende üben, längere Zeit über ein Thema zu sprechen. Ich will Vorträge also nicht aus dem Klassenzimmer verbannen. Als Alternative oder zur Abwechslung eignet sich aber die Präsentation im Messesystem.
Kennengelernt habe ich diese Form bei meiner Kollegin Petra Blöchlinger. Damit kann man die monologische Übungsform aufbrechen, so dass der Vortrag eher zu einem Gespräch mit einem Experten wird. Auch das sequentielle Präsentieren fällt dabei weg.
Die Kursteilnehmer erhalten den Auftrag, allein oder in einer kleinen Gruppe, ein Thema so vorzubereiten, dass sie darüber 5-10 Minuten sprechen können. Dazu müssen sie einerseits Informationen zum Thema recherchieren, andererseits den benötigten Wortschatz sammeln und erarbeiten. Je nach Oberthema wird der Aspekt des Recherchierens mehr oder weniger gewichtet. Bei einem Landeskundethema (zum Beispiel Schweizer Städte) müssen die Lernenden sich mehr Informationen besorgen als beim Thema Hobby.
Für die Präsentation wird das Schulzimmer wenn möglich so umgestellt, dass aus den Tischen einzelne Stände werden. Die Hälfte der Gruppen oder bei Einzelvorbereitung ein Drittel der Präsentierenden wird auf diese Stände aufgeteilt. Falls die Präsentierenden Anschauungsmaterial mitgebracht haben, können sie das dort aufbauen. Die anderen sind das Publikum und verteilen sich über die Stände. Die Präsentierenden stellen ihr Thema vor und die Zuhörer können im Dialog gezielt Fragen stellen. Der Wechsel ist frei. Es herrscht also ein ständiges kommen und gehen. Ich als Lehrerin habe dabei die Aufgabe, bei jedem und jeder mindestens einmal vorbeizugehen.
Nach einer vorgegebenen Zeitspanne (zum Beispiel 15 Minuten für 6 Präsentierende und 12 Zuhörende) kommt die nächste Gruppe an die Reihe. Dazwischen muss man immer mit zwei bis drei Minuten Umstellungszeit rechnen. Für die oben beschriebene Gruppe bräuchte man also etwa 50 Minuten (3 x 15 plus Umstellzeit).
Diese Art des Präsentiererens hat den Vorteil, dass alle gleichzeitig beschäftigt sind. Zwischen den Präsentierenden und dem Publikum entstehen natürliche Gespräche, in denen man nachfragen und Missverständnisse klären kann. Das setzt allerdings ein gewisses Interesse an den anderen und ihren Themen voraus, bei Erwachsenengruppen hatte ich bisher damit noch keine Probleme. Man kann den Hörenden aber auch (relativ allgemeine) Aufträge geben, die ihnen helfen, interessante Fragen zu finden. Bei einer Präsentation von verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen, mussten die Lernenden zum Beispiel zuerst für sich und eine beliebiege (evtl. auch fiktive) zweite Person ein Leseinteressenprofil erstellen. Während der Präsentationen sollten sie versuchen, passende deutschsprachige Zeitschriften zu diesen beiden Profilen zu finden.
Vor den Präsentationen erinnere ich alle immer daran,
- dass keiner der Präsentierenden je allein sein sollte (also möglichst immer mindestens ein Zuhörer da sein sollte),
- dass man selbstverständlich Fragen stellen darf und soll und
- dass alle Zuhörer wenn möglich bei allen einmal gewesen sein sollten.
Das klappt in der Regel gut. Ich als Lehrerin nehme ja ebenfalls Teil und kann gezielt die Leute besuchen, bei denen gerade niemand steht.
Nachteil: Es wird ziemlich laut im Zimmer und mit geordnetem Frontalunterricht hat das Ganze wenig zu tun (was ich allerdings nicht wirklich als Nachteil empfinde).
Als Themen eignet sich alles mögliche:
- der eigene Beruf oder die Fachgebiete/Studienrichtungen oder Studienrichtungen,
- Städte oder Reiseziele vorstellen
- Zeitschriften oder Zeitungen präsentieren
- etc.
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2 Kommentare
1. DaF-Blog - “Präsen&hellip | 26. Februar 2008 um 16:51
[…] 26, 2008 um 3:47 nachmittags · Gespeichert unter Methodik DaF-Blog » Präsentieren im Messesystem Herkömmliche Vorträge haben einige […]
2. DaF-Blog » Sprechen&hellip | 7. April 2019 um 15:11
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