Wortakzent in Komposita

26. April 2012

Eigentlich ist der Wortakzent in Komposita ganz einfach: Er liegt (abgesehen von ganz seltenen Ausnahmen wie zum Beispiel Kilometer oder Jahrhundert) auf dem ersten Teil der Zusammensetzung, wie zum Beispiel in wirtschaftsfreundlich, Atomkraftwerk oder Sauriermuseum. In der Produktion bereitet er aber einigen Lernenden ziemliche Mühe. Ich habe oft Lernende, die starke Nebenakzente setzen oder den Akzent gleich ganz auf den zweiten Teil der Zusammensetzung legen. Aus diesem Grund habe ich die folgende Übung entworfen.

Übungsidee:

Die Lernenden arbeiten in Gruppen von jeweils 3-4 Personen. Ein Lernender zieht eine Karte vom Stapel, auf der einige Beschreibungen von Komposita stehen, die alle dasselbe Grundwort haben. Beispiel:

das Buch

  1. Ein Buch, in dem man (fast) jeden Tag notiert, was man gedacht oder gemacht hat:
  2. Ein Buch, in dem man Adressen sammelt:
  3. Ein Buch, in dem viele Kochrezepte stehen:
  4. Ein Buch, in dem man unbekannte Wörter nachschlagen kann ist ein …
  5. Ein Buch, in dem man sich Notizen macht: Ein …
  6.  Ein Buch, das für Jugendliche geschrieben wurde.

Der Lernende, der die Karte gezogen hat, teilt den anderen das Grundwort mit und liest dann nach einander die Sätze vor. Die anderen raten. Sie dürfe nachfragen und um Wiederholungen bitten, aber sie dürfen die Sätze nicht selbst lesen.

Auf dem Zettel sind auch  die Lösungen inklusive korrekter Akzentstelle vermerkt: 1. Tagebuch 2. Adressbuch 3. Kochbuch 4. Wörterbuch 5. Notizbuch 6. Jugendbuch. Der / Die Vorlesende kann so die Antworten der anderen korrigieren.

Anschliessend macht ein anderer Lerner mit einer neuen Karte weiter.

Lernziele / didaktische Begründung

Mit dieser Aufgabenstellung verfolge ich verschiedene Teilziele. Primär geht es mir um die Bewusstmachung und Einübung des Wortakzents in Komposita. Das wird auch durch die Aufgabenstellung begünstigt, denn  das akzentlose Grundwort ist ja schon bekannt: das Gesuchte ist das akzentragende Bestimmungswort. Im Bereich Aussprache wird implizit auch die Phonem-Graphem-Korrelation thematisiert. Nicht selten stellt man auch auf hören Niveuas noch fest, dass ie als ei vorgelesen wird, dass Umlautpunkte überlesen werden oder Unklarheiten herschen, wann man die Buchstabenfolge „st“ wie ausspricht. Auch Rhythmus und Pausierung lassen sich bei Bedarf thematisieren.  Probleme in diesen Bereichen  kann man gewissermassen im Vorbeigehen lösen, während die Gruppen gleichzeitig arbeiten. Viele derartige Probleme lösen sich bereits in der Gruppe selbst, wenn nämlich die anderen nicht verstehen und nachfragen.

Im Bereich Wortschatz handelt es sich vor allem um eine Wiederholung von einfachen Komposita, die entweder in den Grundwortschatz gehören oder sehr durchsichtig sind (eine Flasche aus Glas ist eine Glasflasche). In fast jedes Set habe ich aber auch ein Wort eingeschmuggelt, dass etwas schwieriger ist, weil man das Wort entweder stärker verändern muss oder das Bestimmungswort nicht direkt in der Beschreibung genannt wird. Neben diesen eher bedeutungsorientierten Aspekten lenkt die Übung die Aufmerksamkeit auch auf die Wortfuge.  Leider gibt es dazu keine griffigen Regeln (ich zumindest kenne keine), Übungen wie diese sensibilisieren aber für die möglichen Übergänge. Wer das Thema Wortfuge umgehen möchte, kann bei der Komposita-Auswahl darauf achten, dass sich die einzelnen Bestandteile fugenlos aneinanderreihen lassen wie zum Beispiel die Tür + das Haus = die Haustür.

Niveau

Die unten angehängte Liste habe ich in einem gemischten B1-B2 Kurs benützt. Den grössten Teil der Wörter konnten sie problemlos finden und sich somit auf die Aussprache konzentrieren, aber es gab einige Knacknüsse, die die Aufmerksamkeit wachhielten. Das Wortmaterial lässt sich beliebig auf die spezifisschen Bedürfnisse eines Kurses anpassen. Mit den richtigen Wörtern, bzw. Hinweisen geht so was auch auf Niveau A1. Denkbar wäre zum Beispiel eine Kombination von Beispielsatz und Bild: Er muss zum _______ hof. (+ Bild von einem Bahnhof). Weitere Anmerkungen, wie ihr die Aufgabenstellung an tiefere Niveaus anpssen könnt, findet ihr oben.

Wortakzent in Komposita als PDF und als Docx. Lizenz: Creative Commons By-SA 2.0 (CH).

 

 

 

 

 

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2 Kommentare

  • 1. Eva  |  26. April 2012 um 06:04

    Danke für diese Didaktisierung, die ein Problem anspricht, das selbst weit Fortgeschrittene noch betrifft. Eine Bemerkung: der Hinweis darauf, dass der erste Teil der Zusammensetzung betont werden muss, löst noch nicht das Problem der Silbenbetonung: Atom-, Adress-, etc. (2. Silbe betont). Ob man das per Audiokorpora trainieren könnte?

  • 2. Cornelia  |  26. April 2012 um 12:01

    Ja, klar, du hast recht. In der Regel thematisiere ich den Wortakzent immer zuerst gesondert. Bei den Komposita ergibt sich dann eine indirekte Wiederholung.

    In der Übung habe ich das Problem der variablen Akzentstelle so gelöst, dass ich in der Lösung den Akzentvokal markiert habe.

    Von Audiokorpora habe ich leider keine Ahnung. Ich weiss nicht so recht, wie man die durchsuchen kann und was es für Deutsch überhaupt gibt. Wenn ich bisher im Rahmen von Korpora mit gesprochener Sprache in Kontakt kam, waren es immer Transkriptionen, und der Wortakzent war da soweit ich weiss nicht angegeben. Kennst du da eine Seite, ein Tool oder so?
    Ich kenne bisher nur forvo.com, aber das sind Einzelwörter und nicht wirklich ein Korpus.


Linktipp

SPRACHLICH: Dies, DaF, ecetera. Für Lernende (Aussprache, Grammatik, Hörverstehen und mehr) und Lehrende.
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