„Des Knaben Wunderhorn“, eine Liedersammlung (Lieder = Texte die
grundsätzlich singbar sein sollten) erschien ab 1806 in drei
Bänden und wurde mehrfach wiederaufgelegt. Im Anhang des
ersten Bandes riefen Brentao und Arnim zur Mithilfe beim Sammeln der
Lieder auf. In einem Inserat begründeten Brentano und Arnim
die Wichtigkeit der Sammeltätigkeit mit patriotischen Motiven.
Die Besinnung auf das gemeinsame Erbe sollte die Einheit der
germanischen Stämme bewusst machen und die nationale Opposition
gegen Napoleon stärken.
Im Vertrauen „auf die Wahrheit der Phantasie“ wollten Brentano und
Arnim das verlorene Paradies nicht wie die Brüder Grimm auf
dem Weg streng historischer Forschung wiederherstellen, sondern
wollten es durch die Kunst wiedererschliessen. Deshalb nahmen sie
in ihrer Sammlung „Ipsefacten“ auf, das heisst eigene, nur
dem Ton der Vorlagen folgende Dichtungen. Goethe nahm dieses
Verfahren positiv auf.
„Tell und sein Kind“ wird als von einem Haus in Arth abgeschrieben ausgewiesen, ist aber sehr viel durchkomponierter als „Erdtoffeln mit Rippenstückchen“. Dieses Lied könnte aufgrund seines Themas tatsächlich eine der Nachdichtungen von Brentano/Arnim sein. Erdtoffeln sind laut Grimms Wörterbuch Kartoffeln.
Des Kaben Wunderhorn ist ein romantisches Kunstwerk und keine Sammlung von Volksliedern.
Das 26 Teilige Gedicht beinhaltet 3 verschiedene Metren. Die Aufteilung der Metren wiederspiegelt sich in der Gliederung des Gedichts. (Evetuell Analogie zu Drama?)
1. Die ersten 12 Zeilen umfassen in halben Hildebrandstrophen
gewissermassen die Exposition des Konflikts.
In der ersten Hildebrandstrophe wird geschildert, wie der Vogt den Hut
auf die Stange steckt. Er kommt zwar in direkter Rede zu Wort, wird
aber gewissermassen nur von Tell zitiert, der ohne Einleitung in
der zweiten halben Hildebrandstrophe zu sprechen beginnt und die
Geschichte bis zu den Vorbereitungen zum Schuss erzählt.
Die Verse sind vorwiegend alternierend, aber nicht durchgängig.
Die Kreuzreime sind alle rein. Schema für die halbe
Hildebrandstrophe:
3aw
3bm
3aw
3bm
2. An diesem Punkt meldet sich das Kind in zwei vierhebigen, paarreimenden Versen mit männlicher Kadenz zu Wort. Die kindliche Frage, weshalb der Vater das Kind anbinde, macht den eigentlichen Höhepunkt des Gedichtes aus. Die beiden Verse sind streng alternierend.
3. Der Rest des Plots wird in zwei Schweifreimstrophen erzählt.
Jeweils eine halbe Schweifreimstrophe umfasst einen Satz oder
besser eine Sinneinheit, der Satzteil der in den kurzen Vers zu
liegen kommt scheint dadurch besonders betont. (Kein Schaden dir
bereiten; Gott wird den Pfeil schon leiten; der gerechte Gott soll
leben; Gott hatt den Segen geben.)
In Tells Rede fällt hier auf, dass stark auf Gott Bezug genommen
wird. Der Vater stellt sich und sein Kind als schuldlos dar, weshalb
Gott den Pfeil schon leiten werde, er schiesst sogar in „Gottes Namen“
auf den Apfel und macht sich so zu einem Kämfper für Gottes
Sache.
Im zweiten Teil der zweiten Schweifreimstrophe kommt wiederum das
Kind zu Wort, das die gelungene Tat berichtet und bestätigt:
„Gott hat den Segen geben.“
Das Schema einer Schweifreimstrophe: 4a m,4a m,3b w ,4c m,4c m, 3b w.
4 jeweils 4-zeilige Paarreimstrophen. (ergo mit Paarreim). Alle Kadenzen sind männlich. Überwiegend alternierend, aber nicht durchgehend.
Eine junge Frau, die selbstbewussst einem Jüngling ins Gesicht
blickt, wird von diesem deswegen getadelt und angehalten, ihre
Augen züchtig niederzuschlagen.
Sie weist das weit von sich. Nicht nur werde sie nicht mit dem
Anschauen aufhören, sondern sie argumentiert sogar, dass eigentlich
vielmehr der Mann die Augen niederschlagen müsse, da er aus
Erde geformt worden sei. Die Frauen hingegen kämen aus den
Rippen des Mannes und deswegen könne sie diese auch
bedenkenlos betrachten. Sie schliesst mit dem Satz, dass sie die
Vereinigung von Mann und Frau suche, was ja nur natürlich ist,
wenn man ihren Ursprung bedenkt.
Der Titel spielt auf die beiden Entstehungselemente „Erde“ und
„Rippe“ an und nimmt den Vereinigungswunsch der beiden lezten
Zeilen voraus.
Interessant ist, dass in diesem Gedicht die Annahme, dass die Frau
aus der Rippe des Mannes entstanden sei, die in der Regel als Beweis
für die Untergeordnetheit der Frau dem Mann gegenüber
galt, hier von der Frau umgedeutet wird um den Mann in seine
Schranken zu weisen.