Prinz Friedrich von Homburg - Heinrich von Kleist
Allgemeines:
Schauspiel in 5 Akten, letztes Drama Kleists, entstanden zwischen 1809-11.
Uraufführung:
1821 in Wien. Sie war ein Misserfolg. In Berlin wurde das Stück
nach drei Aufführungen verboten. Zu seinen Lebzeiten konnte es nicht
aufgeführt werden, weil eine Nachfahrin von Prinz Homburg die Ehre
ihres Hauses durch die Todesfurchtsszene verletzt sah.
Personen:
Friedrich Willhelm, Kurfürst von Brandenburg. Die Kurfürstin.
Prinzessin Natalie von Oranien, Nichte des Kurfürsten. Feldmarschall
Dörfling. Prinz Friedrich Arthur von Homburg, General der Reiterei.
Obrist Kottwitz. Graf Hohenzollern. Div. Oberste und Rittmeister.
Ort und Zeit:
Bei Fehrbellin (Stadt in Brandenburg) und in Berlin im Jahr 1675. (Sieg
des Kurfürsten Friedrich Willhelm gegen die Schweden unter General
Wrangel.)
Inhalt:
Der Prinz von Homburg windet sich eines Nachts, von mehrtägiger
Schlacht erschöpft, schlafwandelnd einen Lorbeerkranz. Mehrere Adlige
und Offiziere (ua. Hohenzollern, die Kurfürstin und Natalie) werden
Zeugen seines Tuns. Der Kurfürst treibt ein Spiel mit dem Prinzen,
windet seine Kette um den Kranz und gibt ihn seiner Nichte Natalie. Als der
Prinz Natalie mit „mein Mädchen, meine Braut“ und den Kurfürsten
mit „Vater“ anspricht, weichen alle entsetzt zurück und verschwinden,
nur der Handschuh des Mädchens bleibt in der Hand des Prinzen zurück.
Der Kurfürst gebietet den Zeugen Schweigen über den Scherz.
Im Kriegsrat am nächsten Tag sieht der Prinz Natalie, hört
zufällig, dass ihr ein Handschuh fehlt und stellt fest, dass es tatsächlich
der Ihrige ist (lässt ihn beiläufig zu Boden fallen). In der
Folge ist er so abwesend, dass er überhört, dass er nicht in die
(entscheidende!) Schlacht eingreifen soll (er hat bereits zweimal eine Schlacht
vermasselt), dann aber natürlich gegen den Rat all seiner Untergebenen
tut, ja sogar einen Offizier, der in daran hindern will, gefangen setzt.
Die Schlacht wird zwar gewonnen (nicht zuletzt, weil der vermeintliche Tod
des Kurfürsten den Prinzen in grosse Wut versetzte), aber der Kurfürst
verurteilt denjenigen, der seine Order missachtete zum Tode, vergewissert
sich aber vorher, dass es nicht der Prinz gewesen sei. (Er war vor der Schlacht
gestürtzt, so dass dieses Missverständnis aufkommen konnte). Der
Prinz wird verhaftet.
Im Gefängnis ist der Prinz anfangs zuversichtlich, dass ihm der
Kurfürst verzeihen wird, obwohl er vom Kriegsgericht zum Tode verurteilt
wurde. Als er aber hört, dass der Kurfürst mit den Schweden verhandelt,
um Prinzessin Natalie als Teil des Friedens mit dem schwedischen Königshaus
zu verbinden, meint er, er habe sich die Gunst des Kurfürsten tatsächlich
verscherzt. (Er und Natalie haben sich nach der Schlacht praktisch einander
versprochen). Er besucht (auf Ehrenwort) die Kurfürstin und bittet
sie ganz ausser sich (er ist am für ihn bestimmten Grab vorbeigekommen)
für ihn einzusetzen. Er gibt jeden Anspruch an Natalie auf und will
sich auf seine Güter zurückziehen, wenn man ihn nur am Leben lässt.
Die Prinzessin ermutigt Friedrich und verspricht ihm, für ihn beim
Kurfürsten zu sprechen.
Natalie bittet bei ihrem Onkel um das Leben Friedrichs und ist ebenfalls
bereit, auf ihn zu verzichten, wenn er nur am Leben bleibt. Der Kurfürst
reagiert verständnisvoll, argumentiert aber, dass er ein Tyrann wäre,
wenn er den Spruch des Kriegsgerichts einfach willkürlich aufheben
würde. Als sie ihm von der totalen Verzweiflung des Prinzen erzählt,
ist er bereit ihn zu begnadigen, falls er das Urteil für Unrecht hält.
Natalie überbringt ihm das entsprechende Schreiben. Der Prinz, der
nun selbst entscheiden soll ob er zu Recht oder Unrecht verurteilt wurde,
anerkennt seine Schuld gegenüber den Kriegsgesetzen (soldatisches Ehrgefühl)
und gewinnt seine Fassung wieder. Natalie ist erfreut darüber und
leitet nun ihrerseits Schritte ein.
Sie beordert im Namen des Kurfürsten (aber ohne dessen Wissen)
dem Prinzen treue Regimenter in die Stadt, deren Führer sich im Ratshaus
versammeln und eine Bittschrift zu Gunsten des Prinzen aufsetzen. Kottwitz,
der auf dem Schlachtfeld noch gegen die Taten des Prinzen war, verteidigt
sie im Namen der Offiziere und Hohenzollern legt dem Kurfürsten dar,
er habe das Verhalten des Prinzen mit seinem nächtlichen Scherz selbst
provoziert.
Der Kurfürst ruft den Prinzen herbei, um selbst über seine
Tat zu urteilen. Dieser will um die Disziplin aufrecht zu erhalten sterben.
Diese Haltung beeindruckt alle Anwesenden sehr. Nachdem der Prinz ins Gefängnis
zurückgebracht wurde, lenkt der Kurfürst ein. In Analogie zum
Anfang inszeniert der Kurfürst die Begnadigung des Prinzen.
Der Prinz wird mit verbundenen Augen in den Garten geführt, in
der Meinung, dass seine Hinrichtung bevorstehe. Stattdessen setzt Natalie
ihm den Lorbeerkranz auf und hängt ihm die Kette um. Der Prinz fällt
in Ohnmacht.
Stoffgeschichte:
Eine Legende besagt, dass der Prinz von Homburg durch eigenmächtiges
Überschreiten seiner Befehle den Ausgang der Schlacht bei Fehrbellin
und damit das Wohl des Staates aufs Spiel gesetzt habe. Friedrich der Grosse
nahm diese nicht den historischen Tatsachen entsprechende Schilderung in
seine Memoiren auf. Kleist benutzte das Werk als Quelle, gestaltete den
Stoff aber mit grosser dichterischer Freiheit.
Thematik:
Insubordination und Kriegsgesetz bzw. Freiheit des Individuums
und Staat (Ordnung eines grösseren Ganzen).
Gedanken:
- Die Todesfurchtszene (die viel Anlass zu Kritik gab) ist nötig,
um den Prinzen zu dem Helden zu läutern, der er nach der Schlacht
bei Fehrbellin bereits schien und der schliesslich würdig ist, Lorbeerkranz
und die Liebe Natalies zu empfangen.
- Gesetz und Freiheit (Antithese!) werden vom Prinzen verbunden,
indem er seine Schuld aus freien Stücken anerkennt.
- Durch die bedingungslose Anerkennung des Rechtes durch Friedrich
wird die Begnadigung erst möglich.
- Das Stück beginnt mit einem Traum und endet mit seiner Realisierung,
die durch den Erkenntnisprozess des Prinzen ermöglicht wird.
- Eigenmächtiges Handeln wird nicht in jeder Rolle bestraft.
Natalie beordert eigenmächtig ein Regiment in die Stadt. Diese Handlung
wird vom Kurfürst aber toleriert. Sie steht als Frau ausserhalb der
militärischen Disziplin, ihr wird Gefühl gestattet.
- In der Todesszene wird der Prinz wiederholt (von der Kurfürstin
und Natalie) gemahnt, Haltung zu bewahren. Gefühlsausbrüche gehören
nicht ins Männlichkeitskonzept.
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