Inhalt:
Im Kapitel "Von dem Umgange unter Eheleuten" gibt Knigge in 20 Unterkapiteln
pragmatische Ratschläge, wie das Zusammenleben von Gatten zu gestallten
sei, damit es zu Freude und Glück führe, und die nicht ein
„Stand
schwerster Sklaverei, ein Seufzen unter den eisernen Fesseln der Notwendigkeit,
ohne Hoffnung einer anderen Erlösung, als wenn der dürre Knochenmann
mit seiner Sense dem Unwesen ein Ende macht“ werde.
Durch diese Äusserungen und dadurch, dass Knigge die Wichtigkeit
der Partnerwahl betont, drückt er aus, dass eine Ehe eigentlich harmonisch
und beiden Gatten angenehm sein sollte. Er rät von ökonomischen
und politischen Zweckehen ab und mahnt zur Planung des häuslichen
Glücks. Allerdings seien junge Menschen noch flexibel, so dass auch
eine etwas ungeschickte Wahl durch gegenseitige Anpassung, Sex (
„eheliche
Umarmung“) und die gemeinsame Erziehung von Kindern durchaus noch
zu einer glücklichen Ehe führen könne.
Vorlieben und Einstellungen der beiden Partner müssen sich nach
Knigge nicht absolut decken, es sei sogar besser, wenn verschiedene Interssen
verhanden sind (solange die Unterschiede nicht allzu gravierend werden),
weil die Ehepartner dadurch Gesprächsstoff haben und und sich gegenseitig
nicht langweilig werden. Aus demselben Grund empfielt er dem Mann sich
von Zeit zu Zeit ausser Haus zu beschäftigen und vielleicht auch einmal
eine Reise zu unternehmen, um
„seiner Gegenwart neuen Reiz zu geben“.
Er mahnt besonders den Mann, seiner Frau gegenüber höflich zu
sein, seine guten Manieren nicht zu vergessen und sich immer sauber zu kleiden.
Wenn seine Frau ihn ehren solle, dann muss ein Mann ihr Knigges Meinung
nach auch Anlass dazu geben, und alle seine Pflichten möglichst gut
erfüllen, nur so kann er ihre Liebe und Achtung erringen und nicht
indem er sie durch Spielchen neidisch macht.
Die Ehe gibt laut Knigge keinem Gatten das Recht, vom anderen zu verlangen,
dass er seinen Freundeskreis aufgibt oder seine Hobbies ändert. Der
andere muss sich auch nicht bedingungslos anpassen, gegenseitiges Interesse
für die Neigungen des anderen macht das Zusammenleben aber leichter.
Vor allem den Männern rät er, sich vor verführerischen Situationen
zu hüten. Allerdings gibt er bei einem Ehebruch von seitens des Mannes
hauptsächlich der Frau die Schuld, auch wenn er an anderer Stelle
einräumt, „dass sehr oft der Mann durch üble oder unvorsichtige
Behandlung daran Schuld ist, wenn Untugenden und Laster, zu welchen der
Keim in dem Herzen seiner Frau lag, zum Ausbruche kommen.“ Ehebruch ist
zwar immer moralisch verwerflich, die Unkeuschheit der Frau wiegt in seinen
Augen aber schwerer, da sie Konsequenzen für die Erbschaft hat. Er
warnt aber vor falschem Misstrauen, dass eine Ehe erst recht zerstören
könne. Falls eine Ehe tatsächlich unglücklich ist, so soll
man das nicht an die grosse Glocke hängen, da darunter das Ansehen
und die Erziehung der Kinder leidet.
Eine Ehe soll in erster Linie durchgegenseitige Offenheit und Vertrauen
gekennzeichnet sein. Da eine Frau rechtlich gesehen aber nicht mündig
ist und moralische Verfehlungen ihrerseits die Ehre der Familie stärker
belasteten und in der Regel die Frauen schwatzhafter und weniger standhaft
seien als die Männer, soll tendenziell eher der Mann der Frau etwas
verheimlichen als umgekehrt.
Mann und Frau sollen auch verschiedene Wirkungskreise haben und sich
in ihren jeweiligen Spähren nicht dreinreden. In finanziellen Angelegenheiten
hat zwar der Mann das Sagen, er soll ihr aber nicht einfach Haushaltsgeld
nach seinem Gutdünken zuweisen, sondern ihr geben, soviel sie braucht
und allenfalls mit ihr gemeinsam überlegen, wo man sparen könnte.
Im Falle einer Verschuldung soll derjenige die Kasse übernehmen,
der besser damit umzugehen weiss.
Knigge ist überzeugt, dass in aller Regel der Mann das sagen haben
muss, auch wenn er auf den Rat einer weisen Frau hören soll. Kluge
Frauen sollen deshalb keinesfalls dümmere Männer nehmen, damit
der Mann, der sich der Herrschaft der Frau beugen muss nicht verlacht wird
und damit die ganze Ehe lächerlich macht.
Knigges Schrift richtet sich vornehmlich an Männer, obwohl er den
Standpunkt der Frau immer wieder berücksichtigt und betont, das eine
Ehe ein Geben und Nehmen sei. Er wendet sich an
„Personen im mittlern
Stande“, da die
„sehr vornehmen und sehr reichen Leute“
selten Sinn für häusliches Glück hätten, ihren Partnern
oft fremd seien und sich sowieso an eine
„eigene Moral“ zu
halten pflegten. Knigge, der das adelige
von selbst aus seinem Namen
entfernte, scheint hier leise Kritik am Adel zu üben. Sein Buch kann
als Versuch gedeutet werden, dem Bürgertum, das immer noch auf der Suche
nach sich selbst ist, eine moalische Orientierungshilfe zu bieten. Es handelt
sich bei diesem Text aber keinesfalls um blosse Benimmanleitungen in der
Art der Silbergabelromane.
Knigge hütet sich im gesamten Text vor Verallgemeinerungen und
absoluten Ratschlägen. Er schildert den üblichen Fall, räumt
aber immer ein, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch das Gegenteil
denkbar wäre. Knigge geht von einem traditionellen Frauenbild aus,
das die Leitung von Männern notwendig macht, setzt es aber nicht absolut.
Der Mann hat zwar die grössere Verantwortung, aber das beinhaltet eben
auch, dass er seine Frau gut und vernünftig behandeln muss.
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