"Nana" - Emile Zola

Zusammenfassung:

Emile Zolas Roman „Nana“ (1880) ist der zehnte von zwanzig Bänden der Reihe „die Rougon-Macquart“, welche die Natur und die Gesellschaftsgeschichte einer Familie im zweiten französischen Kaiserreich schildert. Zola kritisiert mit seinem Roman die Gesellschaft dieser Zeit, die sich kurz vor ihrem Untergang noch ein letztes mal aufbäumt und noch immer in verschwenderischem Luxus und Prunk schwelgt, während sie innerlich schon lange von Verderbtheit und Lastern wie Verschwendungssucht, Erlebnishunger oder Spekulationssucht zerfressen ist.
Als Naturalist beschreibt Zola alles möglichst wahrheitsgetreu. So schildert er sowohl die hemmungslose Begierde ehrbarer Männer nach der Prostituierten Nana, als auch das Elend auf den Pariser Strassen detailgetreu. Solche Umstände will er verurteilen, indem er sie aufdeckt. In der Oberschicht stossen seine Darstellungen aber auf Ablehnung.
Zola wählt als Ausgangspunkt seines Romans das Théâtre des Variétes in Paris, wo die Premiere des Stücks „die Blonde Venus“ aufgeführt wird. Beinahe die gesamte Pariser Oberschicht ist zugegen, um die üppige Schönheit Nana als Venus zu bewundern. Als sie nackt auf die Bühne tritt, zieht sie sämtliche Männer in ihren Bann. Und obwohl sie ihre Textstellen total verpatzt, erntet sie den grössten Applaus.
So kommt es, dass sich Nana, die Dirne aus der Gosse, plötzlicher Beliebtheit erfreut. Sie nutzt es aus, und versucht sich in der Gesellschaft zu etablieren. Bei den Edlen werden bald Einladungen zu einem Souper bei ihr herumgereicht, denn sie möchte sich gerne vornehm zeigen.
Doch das Souper wird zum Reinfall. Das Ambiente wirkt billig, Nana wird nur als bessere Prostituierte behandelt, und der reiche und gottesfürchtige Graf Muffat, den sie erwartet hat, taucht nicht auf.
Eines Tages platzt zwischen den Akten der Vorstellung der englische Prinz in Begleitung des Grafen in Nanas Garderobe hinein, während sie sich gerade umzieht. Halb nackt steht sie vor den Herren inmitten einer chaotischen Theatergarderobe und umgeben von penetranten Gerüchen der Theaterwelt. All das überwältigt den Grafen. Als er zufällig Nanas Hände berührt, verfällt ihr dieser strenggläubige Mann. Da sie sich aber an diesen Abend mit dem Prinzen zu beschäftigen hat, lädt sie den Grafen für später auf ihr neues Landgut ein.
Dieses Landgut mit dem Namen la Mignotte, ist ein Geschenk des Banquiers Steiner, welches eigentlich für die Schauspielerin Rose Mignon, Nanas grösste Rivalin, bestimmt war.
Nana begibt sich kurzerhand dorthin und lässt das Theater im Stich. Aber sie ist nicht die einzige, die sich einen Urlaub im Grünen gönnt. Die Freier, die hinter ihr her sind, lassen sich im benachbarten Landhaus la Fondette nieder.
Auf dem Lande beginnt Nana eine Affäre mit Georges Hugon, einem verliebten Knaben, der sich jeden Abend von la Fondette herüber stiehlt. Zusätzlich schläft sie mit Steiner, dem sie das Landhaus verdankt. Für den Grafen, der ihrer Einladung nachgekommen ist, findet sie gar keine Zeit, zudem ist ihr Interesse erloschen. Erst als Georges Mutter eines Tages dessen Aktivitäten durchschaut und diesem den Kontakt mit Nana verbietet, hat der Graf sie einen Abend für sich. Sie schläft mit ihm, jedoch ohne Lust zu empfinden.
Am nächsten Tag reist Nana um ihre Stelle zitternd nach Paris zurück, weil sie vom Theater einen Brief erhalten hat, der mitteilt, dass für sie ein Ersatz gefunden wurde. Aber vergeblich! Nicht einmal im neuen Stück bekommt sie eine Rolle.
Dann erfährt Nana, dass Graf Muffat von seiner Frau betrogen wird und muss es ihm natürlich unbedingt verraten. Er kann es gar nicht fassen und irrt eine ganze Nacht durch die Pariser Strassen. Am nächsten Morgen weiss er nichts besseres, als bei Nana Trost zu suchen. Er trifft bei ihr Steiner an, der Nana sein letztes Geld bringt. Der Graf bezeichnet diese als Hure, da er erkennt, dass sie neben ihm noch andere Liebhaber hat. Darauf setzt sie beide Herren vor die Tür, womit sie sich ihre Zukunft verdirbt, aber es ist ihr gleichgültig.
Nana bricht mit ihrem bisherigen Leben, verkauft ihre Habe und zieht mit 10'000 Francs zu ihrer neuesten Liebe Fontan, der ebenfalls als Schauspier arbeitet. Die wunderbare Liebe der beiden wandelt sich aber bald. Fontan wird geizig und gewalttätig und geht mit anderen Frauen aus. In dieser Zeit findet Nana Satin, eine ihrer alten Klassenkameradinnen wieder, die als Prostituierte auf der Strasse arbeitet. Als es soweit kommt, dass Fontan Nana ihr eigenes Geld verweigert, sie zwingt wieder als Strassenprostituierte zu arbeiten, und sie schlussendlich vollends auf die Strasse stellt, sucht sie Zuflucht bei ihrer Freundin. In einem kleinen Hotel, wo sie zusammen absteigen, verführt diese Nana und so bildet sich zwischen den beiden eine lesbisches Beziehung aus. Durch eine Polizeirazzia in derselben Nacht werden die beiden wieder auseinander getrieben und Nana beschliesst, dass sie wieder in den Kreis ihrer Gönner zurückkehren wird.
Durch eine geschickt eingefädelte Intrige gelingt es Nana Rose Mignon die Rolle der angesehenen Herzogin Hélène zu entreissen und gleichzeitig ihren Grafen zurückzugewinnen. Das einzige, was sie ihm versprechen muss, ist absolute Treue.
Obwohl Nanas Auftritt misslingt und sie später nur noch als Stummschauspielerin auftreten kann, geht es ihr glänzend. Vom Grafen erhält sie ein Haus und soviel Geld sie will. So veräussert Graf Muffat Gut um Gut, damit Nana in Prunk und Luxus leben kann. Trotzt seines Aufwandes bricht Nana ihr Treueversprechen. Schliesslich ist sie immer in Geldnöten, und benutzt ihre Liebhaber, um ihre Schulden zu begleichen.
Vandeuvre, ein Spieler und Pferdebesitzer, ist einer dieser Herren. Nana bettelte ihn immer weiter um Geld an, bis er nichts mehr als seine Pferde hatte. Als er schliesslich beim Pferderennen alles auf sein eigenes Pferd Nana setzt, siegt dieses sogar, was Nana wieder in den Mittelpunkt rückt. Da Vandeuvre aber wegen Betrügereien disqualifiziert wird, verliert er all sein Geld, und verbrennt sich schliesslich zusammen mit seinen Pferden.
Georges, dem jungen Burschen bricht Nana das Herz, als sie mit seinem älteren Bruder Philippe, der ihn eigentlich von Nana wegholen sollte, ein Verhältnis beginnt. Sie ruiniert Philippes Militärkarriere, indem sie in zwingt, die Buchhaltung zu fälschen und bringt ihn ins Gefängnis. Georges begeht schliesslich Selbstmord, als sie seinen Heiratsantrag lachend ausschlägt.
Als Graf Muffat von Rose Mignon einen Liebesbrief seiner Frau an ihren Liebhaber erhält, und somit den definitiven Beweis hat, dass seine Frau ihn betrügt, sucht er Nana verzweifelt auf, die ihn beschwichtigt und ihm von einem Prozess gegen seine Frau abrät. Schliesslich gehe er ja ebenfalls fremd und ausserdem gäbe es einen Skandal. Mit Nanas Zutun einigen sich Graf und Gräfin, und fahren im gegenseitigen Einverständnis fort wie bisher.
Während Nana den Grafen ausnimmt und ihre Liebhaber zugrunde richtet, wie beispielsweise den Marineoffizier Foucarmont, den sie um sein Erspartes bringt, oder La Faloise, dessen Erbe sie verprasst, wird auch sie gleichermassen betrogen. Satin, die ebenfalls wieder aufgetaucht ist, verschlingt eine Menge Geld. Ausserdem stielt ihr das Dienstpersonal Schmuck und Geld und arbeitet kaum mehr. So kommt es, das Graf Muffat Nana mit anderen Liebhabern erwischt, weil unvorsichtigerweise Türen offen gelassen wurden oder der Graf nicht gehindert wurde, sie im Schlafgemach aufzusuchen. Nana bringt den Grafen aber dazu, dies zu akzeptieren, da sie sich ihm sonst verweigern würde.
Als Graf Muffat schliesslich seinen Vater Marquis de Chouard mit Nana erblickt, wird es ihm zuviel. Er besinnt sich auf die Religion zurück und gibt Nana auf.
Aus einer Laune heraus verkauft Nana ihren ganzen Haushalt und verreist mit dem Geld. Wohin weiss niemand genau. Als sie wiederkehrt, steckt sie sich mit Pocken an und stirbt in einem einsamen Hotelzimmer, wo ihr nur ihre ehemalige Rivalin Rose Mignon, der sie so viel geschadet hat, beisteht. Und wie es mit Nana zu Ende geht, ist es auch mit dem französischen Kaiserreich vorbei, denn auf den Strassen hört man deutlich die Rufe: „A Berlin! A Berlin!“, die den Deutsch-Französischen Krieg einleiten.
 

Meine Erfahrungen mit dem Werk

: Zuerst glaubte ich, in diesem Roman die Geschichte über den rasanten Aufstieg und den noch schnelleren Fall der Prostituierten Nana vor mir zu haben und empfand Mitleid für sie. Doch dann wurde mir klar, dass Zola im Grunde wollte, dass jeder dieses Weib als abstossend empfindet. Mit ihrer Hilfe wollte er den fortgeschrittenen Zerfall der Pariser Oberschicht darstellen. Sie sollte als Racheengel der Unterschicht aufzeigen, wie leicht sich die Oberschicht verderben lässt. So liess Zola ihr die unterschiedlichsten Männer verfallen, seien es nun Spieler, Verleger, Bankiers, hohe Militärs oder gottesfürchtige Kirchengänger.
Ich habe Zolas Roman zuerst wahrscheinlich anders verstanden, weil die Werte von früher und heute ganz verschieden sind. Die Nana von früher war ein Luder, aber eine heutige Nana würde man vielleicht sogar als schlau bezeichnen, und die Herren, die sie ausnimmt, auslachen.
Ich muss zugeben, dass die Art und Weise, mit der Nana ihre Liebhaber zu Grunde richtet, sowie diese Männer selbst, mich ziemlich amüsiert haben. Beispielsweise wurde im Roman einmal der strenggläubige Graf Muffat beschrieben, wie er sich absichtlich auf der dem Kruzifix abgewandten Seite zu Nana legt, da er sich vor Gott schämt. Solche Szenen sind aber zum Teil auch überspitzt, denn ich glaube kaum, dass ein 30-jähriger Mann in Tränen ausbricht, weil seine Geliebte sein Geschenk zerbricht.
Trotzdem wirft der Roman durch die vielen naturalistischen Beschreibungen ein ziemlich düsteres Licht auf die französische Gesellschaft. Nanas Geschichte kann eigentlich trauriger gar nicht mehr sein. Sie eifert ihr ganzes Leben den Idealen der Vornehmen nach, ohne dass sie je vornehm wird und zerstört schliesslich das, was sie anstrebt.
Der Naturalistische Schreibstil gefällt mir, auch wenn er manchmal etwas langatmig und schwermütig wirkt und ich zeitweise ziemlich Mühe mit ihm hatte. Alles in allem finde ich Zolas Roman Nana lesenswert.

Text: Irene Steinmann.

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