Partner-Aussprache-Übungen

11. April 2014

Als ich das erste Mal auf Ausspracheübungen in Partnerarbeit gestossen bin, war ich sehr skeptisch. Es handelte sich um Minimalpaarübungen aus dem Buch „Hören, Lesen, richtig schreiben. Ein kombiniertes Übungsprogramm zu Phonetik und Rechtschreibung für den Unterricht Deutsch als Fremdsprache“ von Endrick Schiemann und Martina Bölck (erstmals erschienen im  Schmetterling-Verlag im Jahr 2003). Die Lernenden erhalten eine Liste mit Minimalpaaren zu einem bestimmten Phänomen. Für die langen Vokale könnte das so aussehen:

  • Miete – Mitte
  • (er) sucht – (die) Sucht
  • Höhle – Hölle

Der eine Partner spricht jeweils eines der Wörter, der andere kreuzt an, welches er gehört hat. Anschliessend wird verglichen.

Meine Bedenken waren vor allem

  • die Lernenden hören die Unterschiede zwischen richtiger und falscher Aussprache nicht
  • die Lernenden hören zu viel falschen Input und produzieren zu viele falsche Aussprachen, so dass sich falsche Muster einschleifen
  • Aussprachekorrektur ist sowieso potentiell heikel (da die Aussprache etwas persönliches ist), da kann ich nicht von den Lernenden erwarten, dass sie sich gegenseitig kritisieren.

Ich dachte also, das könne eigentlich nur schiefgehen und habe es trotzdem probiert. Um es kurz zu machen: es hat wesentlich besser funktioniert, als ich gedacht hätte. Natürlich gibt es einige Faktoren, die den Erfolg der Übungsformen beeinflussen:

  • Muttersprache der Lernpartner: Lernende mit derselben oder einer in Bezug auf die Aussprache ähnlichen Muttersprache haben potentiell dieselben Probleme.  Diese nehmen sie tendenziell auch weniger wahr. In Bezug auf die phonetischen Probleme gemischte Paare funktionieren besser.
  • Vorwissen der Lernenden: Wenn die Lernenden wissen worauf sie hören müssen oder wissen, wie sie den Laut anbilden können (z.B. beim ü vom i ausgehen und die Lippen spitzen), fällt es ihnen leichter zu beurteilen, ob der Partner tatsächlich gesagt hat, was er wollte und sie sind sie nicht so stark auf ein korrekt sprechendes Modell angewiesen. Beides sind auch wichtige Faktoren für das selbständige Üben zu Hause. Man kann Aussprache-Partner-Übungen also auch als einen Schritt hin zu mehr Lernerautonomie betrachten.
  • Korrektur und Feedback durch die Lehrperson: Die Lernenden können die Lehrperson jederzeit dazurufen, wenn sie Höreindruck und intendierte Aussprache nicht übereinstimmen oder wenn sie sich sonst unsicher sind. In der restlichen Zeit kann die Lehrperson da intervenieren, wo sie Ausspracheprobleme hört oder – auch das ist wichtig – zurückmelden, dass das Phänomen korrekt realisiert wurde. Man hört erstaunlich viel, auch wenn alle gleichzeitig sprechen.

Natürlich passieren trotzdem Fehler, das ist beim Üben aber immer so, auch wenn die Lernenden im Chor nachsprechen oder Übungen in einem Sprachlabor-Setting bearbeiten. Das gegenseitige Korrigieren erwies sich in meinen Lerngruppen als unproblematisch, denn eigentlich handelt es sich ja auch eher um einen Vergleich und im Konfliktfall – das heisst wenn Höreindruck und intendierte Aussprache nicht übereinstimmen – kann die Lehrperson hinzugezogen werden. Im besten Fall findet aber Lernen voneinander statt (durchaus nicht nur im Bereich Aussprache). Die Kommunikation mit einem echten Partner macht die Übung für die Lernenden zudem interessanter als das Üben in einem Sprachlabor, wo sich die Lehrperson dann und wann einklinkt – ganz abgesehen davon, dass die meisten DaF-Lehrer wohl kein Sprachlabor in der Zimmerecke stehen haben.

Ganz glücklich war ich mit der Übungsform dennoch nicht. Die Übungen aus Schiemann/Bölck beschränken sich auf Minimalpaare, das Wortmaterial ist also nicht in einen Kontext eingebettet und und zudem übersteigt es den Wortschatz meiner Lernenden oft oder lässt sich zumindest nicht so einfach in den bestehenden Wortschatz integrieren. Dadurch wird eine Chance zum Wortschatzlernen bzw. -reaktivieren vertan. Zudem sollen die Lernenden die Phänomene ja nicht nur in isolierten Kontexten, sondern auch in komplizierteren Settings korrekt und möglichst automatisiert sprechen können. Ich suchte also nach kontextualisierteren Partnerübungen – und wurde nicht fündig. Deshalb habe ich angefangen, selber welche nach dem A-B-Prinzip (Wechselspielprinzip) zu entwerfen. Ein paar Beispiele habe ich euch hier angehängt:

Falls ihr andere Ideen habt oder falls ihr meine Blätter in eurem Unterricht einsetzen solltet, würde ich mich über eine Rückmeldung freuen.

Im nächsten Beitrag findet ihr noch ein paar didaktische Überlegungen zum Durchführen und Erstellen dieser Übungsform.

 

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3 Kommentare

  • 1. DaF-Blog » Didkakti&hellip  |  12. April 2014 um 00:23

    […] letzten Beitrag habe ich ein paar Arbeitsblätter mit Partner-Übungen zur Aussprache veröffentlicht. In diesem […]

  • 2. Steffi  |  8. Mai 2014 um 20:15

    Ich habe die Übungen zum z und zum ch ausprobiert. Beide waren ein voller Erfolg bei den Studenten. Vielen, vielen Dank!!
    Nur ein Hinweis: Auf dem Arbeitsblatt zum ch ist ein Tippfehler bei Aufgabe 2, Lösung für B, Satz 22. Das muss „Mach die Löcher zu.“, nicht „Macht die Löcher zu.“ heißen.
    Nochmals vielen Dank für den tollen Blog. Dein Material ist unglaublich hilfreich und anregend.

  • 3. Cornelia  |  8. Mai 2014 um 21:10

    Vielen Dank für die Rückmeldung! Ich bin immer froh, wenn ich höre, dass etwas nicht nur bei mir funktioniert.
    Deine Korrektur habe ich ausgeführt, die korrigierten Blätter sollten jetzt oben verlinkt sein.

    Liebe Grüsse aus der doch sehr aprilhaften Schweiz

    Cornelia


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