Sprechen planen

13. April 2011

Eigentlich wollte ich heute aufräumen. Dabei ist mir der Tagungsband der ersten gesamtschweizerischen Tagung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer im Jahr 2006 in die Hände geraten. Sie hatte das Thema Sprechen als Fokus – und zwar sowohl das Sprechen im Unterricht als auch das Sprechen über DaZ und DaF. Da das Thema Sprechen im Blog eher etwas untervertreten ist und ich schon lange mal wieder einen Fachartikel zitieren wollte, gebe ich im Folgenden die (für mich) wichtigsten Aussagen und Thesen des Beitrags „Sprachproduktion als Planung: Ein Beitrag zur Psychologie und Didaktik des Sprechens von Diester Wolff wieder. Da der Artikel inzwischen Online zugänglich ist, verzichte ich aber auf eine ausführliche Zusammenfassung. Die Literaturangaben findet ihr am Ende des Beitrags.

Aussagen / Thesen

  • Unterschiede zum Schreiben [S. 65]:
    • Interaktion mit Kommunikationsparter möglich (nachfragen) bzw. nötig (Reaktion auf Äusserungen des Gesprächspartners)
    • wenig Zeit für die Planung von Äusserungen vorhanden, da die Kommunikation sonst abbrechen kann.
    • Sprachnormen sind weniger rigide (Grammatik, regionalgefärbter Sprachgebrauch etc.) und Äusserungen oft weniger komplex aufgebaut. Fehler, Brüche und Korrekturen kommen auch bei Muttersprachlern vor.
    • Nonverbale Äusserungen (Mimik, Gestik) und Bezugnahme auf die Kommunikationsituation sinf häufig.
  • Erkenntnisse der psycholinguistischen Sprechforschung [Kap. 3.1, S. 68f.]
    • Lernende benötigen für die Planung ihrer Äusserungen mehr Zeit und versuchen deshalb, ihre Sprache zu verlangsamen durch:
      • mehr Pausen
      • geringeres Artikulationstempo.
    • Lernende formulieren Äussrungen in der Muttersprache vor
      • Grund: Formulierungsvermögen in L2 noch nicht automatisiert und Aussagemöglichkeiten begrenzt.
      • Problem: Sprachkompetenz in der L2 reicht meistens nicht für Übersetzungen aus der Muttersprache.
    • Inselwissen (= als ganzes abgespeicherte Chunks) schafft Pausen zum Denken.
    • Inhalte werden reduziert, damit sie mit den beschränkten Mitteln der Fremdsprache ausgedrückt wrden können.
  • Erkenntnisse der Zweitspracherwerbsforschung [Kap. 3.2, S. 69f.]
    • Lernende setzen verschiedene Kommunikationsstrategien ein:
      • Reduktionsstrategien
        • funktional –> Steuerung der Kommunikation (z.B. Themenvermeidung)
        • formal –> Vereinfachung seiner Äusserungen (= Sagen, was man kann)
      • Achievmentstrategien
        • Kompensationsstrategien (z.B. umschreiben von Wörtern)
        • Retrivalstrategien (z.B. Kommunikationspartner nach Regeln oder Wortbedeutungen fragen)
  • Förderung von Sprachverarbeitungsprozessen [Kap. 4.1, S. 70f]
    • produktorientierte Förderung
      • Verbesserung der Produkte im Zentrum
      • meistens nur in Bezug auf sprachliche Fehler und nicht auch für das Planungsverhalten
      • Problem: Lernender konzentriert sich beim Sprechen auf die Planung und hat keine Kapazitäten, um die Korrektur der Lerhperson verarbeiten zu können.
      • Problem: Leher kann sich nur schlecht gleichzeitig auf Form und inhalt konzentrieren.
    • prozessorientierte Förderung
      • Teilprozesse werden isoliert gefördert –> prozedurale Erleichterng (procedural facilitation) nach Bereiter/Scaramalia 1987
  • Sprechprozess unterstützen [71f.] durch
    • Bereitstellen von Schlüsselwörtern und Gerüste (auf Basis der Sprechabsicht oder auf Grund eines Textes zum Thema)
    • Auswendiglernen von Inselwissen (= Chunks oder Redemittel) zur Erhöhung der Planungszeit für andere Äusserungsteile
    • Bewusstmachen von Kommunikationsstrategien (siehe oben)

Leider bleibt der diaktische Teil (S. 70-73) etwas vage. Auf Seite 73 werden einige konkretere Verfahren zur Sprechförderung im Unterricht stichwortartig erwähnt und es wird auf einen weiterführenden Artikel verwiesen.  Ich habe wie gesagt nur die wichtigsten Punkte hervorgehoben (der theoretische Teil vom Anfang fehlt in meinen Notizen). Im Zweifelsfall bitte selber lesen 🙂

Literaturangaben

Wolff, Dieter: Sprachproduktion als Planung: Ein Beitrag zur Psychologie und Didaktik des Sprechens. In: Clalüna, Monika; Studer, Thomas (Hrsg.): Deutsch im Gespräch. Sprechen im DaF- / DaZ-Unterricht. Sprechen über DaF / DaZ in der Schweiz. Akten der Gesamtschweizerischen Tagung für Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer 22. und 23. September 2006. Stallikon 2007, S. 63-74.

Restexemplare des Tagungsbandes kann man noch für 15 Fr. bei monika_claluna(at)akdaf.ch bestellen. Inzwischen kann man die Beiträge aber auch als Pdf herunterladen.

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3 Kommentare

  • 1. Daniel  |  26. April 2011 um 15:31

    Vielen Dank für diesen Beitrag, ich bin schon seit längerem auf der Suche nach Übungen, die meinen Schülern helfen können, fleißender Deutsch zu sprechen. Das Verstehen ist weit aus besser als das Produzieren.
    Hättest du vielleicht noch ein paar Tipps bezgl. Sprechübungen? Wie schaffe ich es, dass meine Schüler spontaner und fließender sprechen können?

    Liebe Grüße aus Buenos Aires
    Daniel

  • 2. Cornelia  |  27. April 2011 um 17:58

    Lieber Daniel
    Vielen Dank für den Kommentar. Ich habe noch einige Beiträge zum Sprechen im Entwurfsordner. Ich hoffe, dass ich endlich dazu komme, sie zu schreiben.
    Mich würde aber interessieren, welches Niveau deine Schüler haben, und welches Lehrwerk ihr verwendet (bzw. welche Art von Sprechübungen es anbietet).

    Liebe Grüsse aus der für April viel zu warmen Schweiz
    Cornelia

  • 3. Cornelia  |  1. Mai 2011 um 08:22

    Hallo Daniel

    Einer der Artikel ist inzwischen fertig geworden: /blog/wordpress/2011/05/01/tif-theatrales-improvisieren-fur-fremdsprachige


Linktipp

SPRACHLICH: Dies, DaF, ecetera. Für Lernende (Aussprache, Grammatik, Hörverstehen und mehr) und Lehrende.
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